…oder: Das Horror-Wochenbett
„Genießt die Zeit! Die ersten Wochen mit eurem Neugeborenen sind etwas ganz besonderes.“ Wie oft ich diesen Satz gehört und gelesen habe! Ja eh. Besonders furchtbar – in meinem Fall. Ich hatte ja keine Ahnung was uns blüht. Sicher, man stellt sich auf wenig Schlaf und ein schreiendes Baby ein, aber das Wochenbett hatte einige unangenehme Überraschungen für uns parat.
Zu schön, um wahr zu sein
Dabei hatte alles so gut begonnen. Die Geburt war problemlos gelaufen und ich spazierte wenige Stunden später voller Adrenalin und Glückshormone mit Baby am Arm zurück zum Auto. Wir hatten eine ambulante Geburt geplant, denn ich wollte die „besondere“ erste Zeit mit Stefan gemeinsam erfahren und nicht mit fremden Leuten im Krankenhaus.
Unvorbereitet ins Wochenbett
Das erste Anzeichen dafür, wie erschreckend unvorbereitet wir waren, kam dann schon am Parkplatz – wir hatten keine Ahnung, wie man einen Kindersitz richtig und sicher installiert und mussten erst ein paar Youtube Videos konsultieren, während die geduldige Hebamme den wenige Stunden alten Alfred hin und her wiegte. Aber solche Peinlichkeiten sind völlig egal. Die ersten Nächte schlief ich kaum, weil ich meinen Sohn die ganze Zeit beobachten musste. Unermessliches Glücksgefühl hielt mich wach.
Den Plan keine Besuche in der ersten Zeit zuzulassen, verwarf ich dummerweise sofort – schließlich ging es mir prächtig und ich wollte jedem meinen größten Stolz zeigen. Alles schien perfekt: Perfekte Schwangerschaft, perfektes Baby, perfekte Geburt.
Und dann kam der Milcheinschuss.
Obwohl ich mental darauf vorbereitet war, dass es zu einem Babyblues wenige Tage nach der Geburt kommen würde, hat er mich richtig schlimm erwischt.
Viel Tränen und Verzweiflung
Der kleine Alfred weint zum Glück selten, aber Tränen gab es im Wochenbett genug. Ich war ständig verzweifelt, von irrationalen Schuldgefühlen und panischer Angst geplagt. Am schlimmsten war die Erkenntnis für mich, dass ich ab nun verletzlich war, wie ich es zuvor nie gewesen war, nie zugelassen hatte. Wenn Alfred etwas zustoßen würde, könnte ich nie mehr glücklich sein.
Ich fühlte mich mit diesen Gefühlen isoliert und hilflos. Besonders schlimm war es abends und nachts, wenn mich keine Besuche ablenkten. Und dann kamen die ganzen körperlichen Beschwerden dazu.
Alptraum Stillen
Seit dem Milcheinschuss, der vier Tage nach der Geburt einsetzte, kämpfe ich nämlich mit massiven Stillschwierigkeiten und den Folgen davon. Ich wusste, dass viele Frauen Probleme mit zu wenig Milch haben, bei mir war das Gegenteil der Fall. Weder ich noch Alfred kamen mit den Milchmengen und meinem – man muss es schon so sagen – Atombusen zurecht. Schon nach dem zweiten Tag hatte ich blutige Brustwarzen.
Stillen wurde zur Folter – ein Gefühl als würde man mir langsam die Brustwarzen abschaben. Nach dem Stillen war ich in Angstschweiß getränkt. Ich entwickelte eine Abneigung davor mein Baby an die Brust anzulegen und kämpfte mit der ungerechten Wut, die ich manchmal gegen den hilflosen Knopf in meinen Armen empfand.
Milchstau und eine Kaskade von Problemen
Die nachbetreuende Hebamme gab uns verschiedenste Tipps. Richtig „anlegen“ sei der Schlüssel, aber es klappte nicht.
Schon in der ersten Woche hatte ich eine Brustentzündung, ausgelöst durch einen Milchstau und vermutlich auch, weil ich mich zu wenig geschont hatte. Brustentzündung bedeutet hohes Fieber inklusive Schüttelfrost, Kopfweh und Gliederschmerzen. Ich war bald so schwach, dass ich mich ohne Stefans Hilfe nicht einmal aufsetzen konnte, um Alfred zu stillen.
Eigenbehandlung machte es schlimmer
Ich ging aber nicht gleich zu einer Ärztin, sondern versuchte den Stau mit Abpumpen in den Griff zu kriegen. Das war kontraproduktiv, weil dadurch die Milchproduktion noch mehr angeregt wurde. Nachdem die erste Brustentzündung abgeklungen schien, ging es mir zwei Tage besser, doch dann kam das Fieber erneut und ich musste die Entzündung mit Antibiotika behandeln.
Wahrscheinlich als Folge der Antibiotika, bekam ich zu allem Überdruss auch noch einen schmerzhaften, juckenden Soor auf der Brust und mein Kind im Mund und holte mir wegen des geschwächten Immunsystems eine schwere Erkältung. Ich konnte vier Tage lang nicht mehr sprechen, geschweige denn Einschlaflieder vorsingen.
Vielleicht war ambulant nicht die beste Idee
Stress fördert Milchstau. Tatsächlich hab ich unterschätzt, wie viel Ruhe ich nach der Geburt gebraucht hätte. Schon am Tag danach mussten wir zu einer Kinderärztin um Alfreds Herztöne zu kontrollieren – das hätten wir uns ersparen können, wäre ich im Krankenhaus geblieben. Eigentlich machten mir die ganzen Termine zuerst nichts aus, aber mein Körper spielte nicht mit.
Ohne Support ist frau verloren
Ich weiß von Freundinnen, die schon Kinder haben, wie wichtig es ist, dass der Wöchnerin jemand beisteht. Fehlt diese Unterstützung erholen sich die Frauen oft lange nicht von den Strapazen. Leider ist der sogenannte Papamonat eine Augenauswischerei für alle, die auf das Gehalt angewiesen sind. Ich weiß nicht, wie ich das alles ohne meinen Partner, der drei Wochen daheim bleiben konnte, überstanden hätte.
In dieser enormen Abhängigkeit wechselte meine Stimmung rasch zwischen enormer Dankbarkeit und eifersüchtiger Aggression, weil er mir das verhasste Stillen einfach nicht abnehmen konnte.
Im Ausnahmezustand
Immer wieder überkam mich Panik, dass Alfred das ganze Drama mitbekommen und einen Schaden fürs Leben kriegen würde. Ich hatte das Gefühl schon jetzt zu versagen und haderte mit der Situation, da diese vermeintlich wertvolle erste Zeit, nur von Schmerzen geprägt war. Stefan war rund um die Uhr mit meiner Betreuung beschäftigt und angesichts der unkontrollierten Tränenausbrüche schlicht hilflos. Zum Glück haben wir ganz wunderbare Familien und FreundInnen, die uns durch diesen Ausnahmezustand geholfen haben.
Freundinnen, die schon Kinder haben, sprachen mir viel Mut zu. Es wird besser, sagten sie mantra-artig. Sie kennen diese widersprüchlichen Gefühle. Das immense Glück und die Liebe, wenn man sein zufriedenes Baby ansieht und dann wieder die seltsame Traurigkeit, die plötzlich da ist und sich einfach nur falsch und wie ein Verrat anfühlt. Darauf kann man sich wohl nicht vorbereiten.
Es wurde besser
Alfred ist jetzt acht Wochen alt und das Stillen funktioniert mittlerweile einigermaßen. Geholfen haben mir dabei zwei wesentliche Aspekte:
Eine gute Stillberaterin
In der Stillambulanz des St. Josef Spitals bekam ich schließlich Hilfe. Die beratende Hebamme verschrieb mir eine Salbei- und Pfefferminztee-Kur, um die Milchproduktion radikal einzudämmen, erkannte eine weitere Problemlage (Raynaud-Syndrom in der Brust), die ich nun immerhin behandeln kann, und „erlaubte“ mir mit – bei vielen Stillberaterinnen verpönten – Stillhütchen zu stillen. Diese bergen zwar andere Tücken, aber dafür ist das Stillen damit erträglicher.
Druck rausnehmen
Geholfen haben auch die Gespräche mit Frauen, die aufgrund diverser Stillprobleme früher als geplant abgestillt haben und diese Entscheidung nie bereut haben. Ihre Kinder sind auch alle gesund. Der ganze Hype um „Breast is best“ setzt Frauen extrem unter Druck.
Ich habe viel zum Stillen und zu Stillproblemen im Internet recherchiert, und keinen Artikel gefunden, der nicht unterschwellig suggeriert, dass Stillen, wenn es dann funktioniert, „wunderschön“ ist und eine ganz besondere Bindung zwischen Mutter und Kind schafft. Alle gaben mir das Gefühl, dass Mütter, die nicht oder nicht lang genug stillen, nicht die „Extra-Meile“ für ihr Baby gehen.
Kein Fan vom Stillen
Zum Glück gibt es immer mehr Mama-Blogger und Journalistinnen, die sich dagegen wehren. Mittlerweile glaub ich nicht mehr daran, dass Stillen wirklich besser ist, wenn es der Mutter dabei schlecht geht.
Ich werde wahrscheinlich keine Mama mehr, die gerne stillt, aber aktuell ist es machbar. Ich hab‘ aber alles daheim, um jederzeit auf Fläschchen und Formelmilch umzustellen, bevor der Leidensdruck wieder zu hoch wird. Seit ich mir dieses Back-ups gewiss bin, hatte ich keinen Milchstau mehr.
Endlich ganz normaler Wahnsinn
Auch der Babyblues ist jetzt abgeklungen und der Alltag mit Baby kehrt langsam ein. Das sind wieder ganz andere Herausforderungen. Jetzt kann ich das Mama-sein endlich genießen. Ich habe tausendmal lieber Folter durch Schlafentzug, als dass man mir die Nippel absägt.