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Wie es weiter geht

Oje. Zurück in Österreich und schon verwerfe ich fast meinen guten Vorsatz mehr zu schreiben. Geflasht von all den Glücksgefühlen meine Liebsten wieder zu sehen, direkt rein in den Sommer Österreichs zu landen und dabei Tageslicht bis 9 Uhr abends zu haben (in Nicaragua ist es um 6 Uhr dunkel), war die Umstellung zumindest emotional ein Leichtes. Eine gute Woche habe ich trotzdem gebraucht um mich von Jetlag, Magendarm-Geschichten und wochenlanger Rastlosigkeit zu erholen und die Pollensaison ist ja auch in vollem Gange. Es mag ironisch klingen, aber ich bin absolut urlaubsreif. Doch jetzt steht mir erstmal ein kleiner Arbeitsmarathon bevor, das süße Leben will ja auch finanziert werden. Und meine Pläne? Die reichen im Moment nicht weiter als bis September (Stichwort: Befristeter Arbeitsvertrag). Aber wenn ich so in mich hineinhöre ist es mir zum ersten Mal in meinem Leben eigentlich egal. Ich weiß jetzt endlich was ich will (gut, viele mögen nun anmerken, dass sich das bei mir wöchentlich ändert, aber wer ohne Wankelmut ist, werfe den ersten Vertrag).

Nun muss ich nur noch herausfinden wie ich meine Träume so leben kann, dass ich im Alter nicht auf der Straße lande, weil ich zu krank zum Arbeiten bin und meine Pension mir gerade mal mein tägliches Bier und Wurstbrot finanziert. Man sagt ja: Jugendliche sind gesund und haben viel Zeit, aber es fehlt ihnen das Geld, die Erwachsen sind ebenfalls fit, haben genug Geld, aber es fehlt ihnen die Zeit, und die Alten, die haben Geld und jede Menge Zeit, aber sind nicht mehr fit genug um das zu tun was sie wollen. Wenn ich mir die Leute in meiner Altersgruppe und meinem sozialen Umfeld so ansehe, glaub ich, dass wir alle arme alte Leute sein werden, die bis ans Lebensende irgendwo hackeln (wahrscheinlich in unserem zweihundertsten Praktikum), weil wir unsere Zeit als vitale, hochqualifizierte, aber überflüssige potenzielle Arbeitskraft mit Reisen und prekären Jobs verbracht haben und wenns ganz blöd hergeht übersehen wir das mit dem Familiengründen auch noch, die Zeit vergeht ja ach so schnell. Man kann nur hoffen, das sich bis dahin ein Trend entwickelt hat, der den Bedarf an 80-jährigen, die Flyer oder Promotions-Utensilien wie Gebäck, Schokolade oder Red Bull verteilen, erhöht.

Aber ich schweife ab.

Eigentlich wollte ich ja nur sagen, dass ich vorhabe hier noch mehr zu schreiben. Vorerst vor allem noch über Nicaragua und dann hoffe ich, dass Wien genug Geschichtln bietet, bis ich dann endlich auch den Weg zurück zu dem gefunden habe, was ich als Kind Fantasie nannte. Mein Internet-Mönch, dessen Weisheiten ich begierig folge, schrieb vor kurzem: „Du bleibst erfolglos, weil du harte Arbeit scheust“. Das hat mich richtig getroffen. Denn er meinte damit nicht, sich abzubuckeln und durchzubeißen bis zum Burnout, sondern seinem Herzen zu folgen, ein Risiko einzugehen und Einsatz zu zeigen. Gerne rede ich mich auf die derzeitige Krise heraus: mit Schreiben, das nicht mit Werbung und PR zu tun hat, kann man doch heute kein Geld mehr verdienen, aber in Wahrheit habe ich Angst mich wirklich zu öffnen, Ablehnung zu erfahren und viel Energie in etwas zu stecken, das am Ende keinen Erfolg erzielt. Aber was ist, wenn Erfolg schon die Tätigkeit an sich ist? Harte Arbeit bedeutet auch, sich die Zeit zu nehmen, auch wenn kein Chef dir die Arbeitszeiten vorgibt.

Also meine lieben sieben Leser und Leserinnen, bleibt dran!

Abschied süß-sauer

„Nicaragua, Nicaraguita, la flor mas linda de mi querer, abonada con la bendita, Nicaraguita, sangre de Diriangén. Ay Nicaragua sos mas dulcita, que la mielita de Tamagas, pero ahora que ya sos libre, Nicaraguita, yo te quiero mucho mas. pero ahora que ya sos libre, Nicaraguita, yo te quiero mucho mas.“ (Carlos Mejia Godoy)

In ein paar Stunden verlasse ich Nicaragua – ein Land, in dem es noch soviel zu entdecken gäbe, ein Land, das mich auf vielen Ebenen herausgefordert hat, dessen Menschen ich sehr, sehr ins Herz geschlossen habe und das nun für immer ein Teil von mir ist. Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich freue mich sehr auf Daheim, aber als ich heute wirklich zum letzten Mal Adios sagen musste, bin ich doch sehr wehmütig geworden.

So gern ich reise und länger an einem Ort lebe um die Menschen besser kennenzulernen, der Abschied schmerzt. Man verdrängt es, aber ruck-zuck hat man plötzlich Beziehungen entwickelt, und wieder mehr Leute, die einem fehlen werden, wenn man geht. Aber es ist auch schön so, anders wäre es wohl wirklich traurig.

Die ganze Woche habe ich mich gestresst deswegen, wollte es allen recht machen, wollte alles unter einen Hut bringen, bin zwischen drei Häusern gependelt, jeden sehen, noch dieses und jenes erledigen, wollte noch soviel tanzen wie möglich, soviel sehen wie möglich, konnte kaum schlafen, meine Gedanken immer am rasen, rasen, rasen. So wie jetzt, so kurz vorm Flug (noch 3 Stunden, dann muss ich schon wieder aufstehen), ich sollte wirklich schlafen. Sollte das hier vor Fehlern strotzen – ich bin eigentlich gar nicht mehr wach glaub ich.

„No te vayas“            

Der Abschied von meinen SchülerInnen war sehr bewegend. Wie bei meinem Nervenzusammenbruch vor zweieinhalb Monaten, musste ich beim Verlassen meiner Klasse sehr mit den Tränen kämpfen, diesmal aber vor Rührung. „No te vayas“, „Geh nicht“, kam es von allen Seiten und immer wenn ich über den Schulhof kreuzen musste, war ich von einer Horde Kinder umringt, die mich beim Versuch mich zu umarmen und zu herzen, fast umgeworfen haben. Ich weiß jetzt wie sich Teenie-Popstars fühlen.

Auch die Lehrerinnen und die Leute vom Amucobu-Team haben sich mit einer Herzlichkeit von mir verabschiedet, die mich überwältigt hat. All diese lieben Wünsche und Gebete für mich und meine Zukunft, all die positive Energie behalte ich im Herzen.

El Día de la Madre
An meinem letzten Schultag wurde Muttertag gefeiert, der am darauffolgenden Tag stattfand (30. Mai) – ein Feiertag in Nicaragua. Für diesen Anlass hatte ich mit ein paar Schüler und Schülerinnen zwei englische Muttertagslieder einstudiert. Ich war mir zuerst unsicher, ob ich etwas organisieren sollte, da die meisten Kinder mehr Interesse an meiner Person als am Englischunterricht hatten und generell wenn es ums Englisch sprechen ging sehr, sehr verhalten waren. Aber zu meiner Überraschung hat es super funktioniert und wieder einmal bin ich mir bewusst geworden, dass ich mir mehr zutrauen und vor allem auch meine eigenen Ideen mit mehr Selbstbewusstsein verfolgen sollte.

Nachdem ich dann noch ungefähr 200 Herzen in Kindergesichter gemalt habe (ich hatte ja Theaterschminke nach Nicaragua mitgenommen, die wegen der Umstände vorher nie benutzt werden konnte), hab ich auch noch mit dem Team von Amucobu Abschied gefeiert, jene Leute, mit denen ich die meiste Zeit verbracht habe: Doña Esmeralda, Doña Brenda, Maria, Fatima, Gustavo und Tanja. Sie haben gekocht, ich hab das Bier besorgt und die erbärmlichen Reste von dem was eine Sachertorte hätte werden sollen mitgebracht. Und dann haben wir getanzt, Gustavo hat wie immer seine Gitarre ausgepackt und unsere Lieblings-Lieder gespielt und gesungen und während ich das schreibe, weiß ich jetzt schon, dass mir diese kleinen Feste sehr fehlen werden.

Aber nicht nur das:

Was ich außerdem vermissen werde

  1. Die herzliche und hilfsbereite Art der Nicas
  2. Die Vulkane, die Dschungel, die Lagunen, das Meer
  3. „Nicañol“ und die vielen Redewendungen (und weil ich nach drei Monaten hier, mich endlich traue „dale, pue(s)“ wie die Nicas zu verwenden)
  4. Dass immer getanzt wird egal wer zuschaut, egal wie man ausschaut dabei
  5. Die bunten Busse
  6. Das vorbildliche Verhalten der Leute im Bus trotz ständiger Überfüllung
  7. Die Musik im Bus
  8. Überhaupt dass immer überall Musik tönt
  9. Mein Zumbakurs
  10. Die chaotischen Märkte
  11. Die vielen spontanen Gespräche mit Fremden
  12. Mangos, Papayas, Zapote, Guanabana, Icaco, Coconut…
  13. Die genialen Secondhand-Läden
  14. Das entspannte Verhältnis zu körperlichen Rundungen
  15. Das Schmatzen der Geckos
  16. Gallo Pinto, Nacatamal, Porpusas, Güirila
  17. Nicalibre und Toña (Bier)
  18. und natürlich die lieben Menschen, die ich hier kennengelernt habe.

Natürlich gibt es auch ein paar Dinge, die ich nicht so sehr vermissen werde:

  1. Erdbeben
  2. Die absurde Hitze
  3. Das Schwitzen
  4. Den Staub
  5. Ständig Durchfall durch Parasiten, Wasservergiftung und was weiß ich alles
  6. Den Müll, der immer und überall achtlos auf die Straße geworfen wird, selbst wenn ein Mistkübel vorhanden ist
  7. Dass die Busse losfahren während die Leute noch einsteigen
  8. Ständig und überall so aufzufallen
  9. Die brutalen Fernsehnachrichten, die bei mir Übelkeit erzeugen
  10. Das Handynetz von Claro, dass den Sms-Speicher täglich mit Werbung überflutet
  11. Wäsche mit der Hand waschen
  12. Wassermangel (in vielen Gebieten, wie etwa auch Walter Ferrety)
(Bis auf die Hitze, alles erträglich – das nächste Mal komm ich halt im Winter wieder)

Nicaragua, du schönes, seltsames Land! Es war nicht immer einfach, aber es war immer aufregend und diese Erfahrungen kann mir niemand mehr nehmen. Ich habe viel gelernt in meiner Zeit hier und ich hoffe, ich kann mir all das bewahren: das Wissen, dass ich alles schaffen kann, aber nicht alles schaffen muss; Mut zur Imperfektion; Gelassenheit, wenn die Dinge anders kommen, als man glaubt und wenn etwas nicht funktioniert; Improvisation; die Freude am Tanzen, am Schreiben, am Reisen allgemein und an den Menschen selbst; die Dankbarkeit für das Leben das ich habe und natürlich würde ich auch gern, das was ich an Spanisch gerlernt habe nicht nur halten, sondern verbessern.

Es ist ein süßer aber auch trauriger Abschied, er gehört nun mal zum Reisen dazu, aber es ist ganz bestimmt kein Abschied für immer.

 

 

Lago Atitlán in Guatemala

Die Zeit verfliegt, jetzt verlasse ich schon bald Nicaragua und ich hab noch nicht einmal fertig erzählt, wie schön Guatemala eigentlich war: sehr schön nämlich.
Nachdem unsere wundervollen Gastgeber Johnathan und Eugenia, Laurin und mir Antigua und Guatemala City gezeigt haben, sind wir gemeinsam mit Julian, einem Freund der beiden, für zweieinhalb Tage an den See Atitlán gefahren.
Er soll einer der schönsten Seen der Welt sein. Sehr hübsch ist er auf jeden fall mit seinen drei vorbildlich spitzen Vulkanen am anderen Ufer. Viel beeindruckender fand ich jedoch die hohe Dichte der indigenen Menschen, die zu einem der vielen Maya-Völker gehören.
Ich konnte mich gar nicht satt sehen an ihrer wunderschönen traditionellen Kleidung, die mit soviel Details und mühsamer Handarbeit gefertigt ist. Die Männer tragen Cowboyhüte und Röcke über Hosen, die Frauen tragen Huipiles (ein Viereck mit Kopfloch) die mit einem bestickten Gürtel zusammengehalten werden und lange Röcke. Jedes Dorf hat seine eigenen Farben und Muster. Am liebsten hätte ich von jeder und jedem Einzelnen ein Foto gemacht.
Die Mayas machen ungefähr (je nach Quelle) 40 % der Guatemaltekischen Bevölkerung aus, damit hat Guatemala den größten Anteil an Indiginas in Mittelamerika. Obwohl sie lange Zeit von der Regierung unterdrückt und diskriminiert wurden, konnten viele ihre Sprache und ihre traditionellen Rituale und Bräuche erhalten (Um die Vielfalt der indigenen Sprachen aufzuzeigen, hier ein paar Namen: Quiché, Mam, Cakchiquel, Kekchi, Kanjobal, Chuj, Jacalteco, Ixil, Achi, Pocomchi, Pocomam, und Tzutuhil).

Sie tragen ihre traditionelle Kleidung mit stolz, aber all die indigene Schönheit sollte TouristInnen nicht von dem Fakt ablenken, dass die Mayas noch immer die größte ärmste Bevölkerungsschicht in Guatemala darstellen. Es passt irgendwie nicht ganz hier her, aber dieser lesenswerte Artikel im Vice Magazin hat mir so gut gefallen, weil er sehr gut das Problem der armen Menschen – nicht nur in Guatemala – darstellt. Besser als ich es mit meinem begrenzten Wissen könnte:

http://www.vice.com/read/guatemalan-farmers-are-too-poor-to-protest

Viele Indiginas kommen aus ihren umliegenden Dörfern in den quirligen Touristenort, in der Hoffnung gute Geschäfte zu machen. Offensichtlich ist Panajachel aber nicht nur ihre Arbeitsstätte, in der sie ihre wunderschönen Waren verkaufen, sondern auch eine Art Urlaubsort – zumindest an diesem festlichen Semana Santa Wochenende. Wir sahen sie beim flanieren, picknicken und sich über die Gratisangebote verschiedener Werbeaktionen von Biermarken erfreuen.
Schwimmen können zwar nur die Wenigsten und Frauen gehen sowieso nicht ins Wasser, aber die Kinder und einige Männer kühlen sich im See ab, während die Mehrheit der Leute am Ufer sitzt und zusieht.
Eugenia und ich konnten der Versuchung zu Schwimmen nicht widerstehen und erregten damit natürlich einiges an Aufmerksamkeit, aber ich denke es ist nur fair, da wir ja auch heimlich Indiginas fotografiert haben.

Gigantisch groß in Guatemala
Am Abend sind wir zu einer gratis Konzertveranstaltung gegangen, welche die brasilianische Biermarke Brahva organisiert hat. Die Vorband war ok, Marke Teenieband.
Als Pausenfüllung trat dann irgendein Typ, der nicht unbekannt zu sein scheint, mit vier „Brahva Girls“ auf die Bühne. Während die Mädchen sexy in knappen Outfits die Hüften schwingen, ruft der Typ Männer aus dem Publikum zu einem Tanzwettbewerb auf die Bühne. Über die mutigen Kandidaten wird knallhart abgestimmt. Mit „afuera, afuera“ werden jene Burschen, deren Moves nicht überzeugen von der Bühne gejagt.

Dann kommt der Hauptakt, eine bekannte Guatemaltekische Alternative Rock Band: Malacates Tresbol Shop. Nicht schlecht!
Das tollste jedoch war auf jeden Fall, dass ich über die Mehrheit des Publikums hinweg sehen konnte. Diese Erfahrung „groß“ zu sein, war mit meinen 1,59m wirklich sehr eigenartig. Ich bin es nicht gewohnt auf erwachsene Menschen hinunter zu schauen, da fühl‘ ich mich gleich ganz unwohl, aber bei Konzerten ist es einfach ganz großartig. In Guatemala wirken Menschen, die bei uns schon groß sind, geradezu gigantisch. Als wir durch Panajachel spaziert sind und ich mich etwas zu lange an einem Standl vertrödelt hatte, war es nie schwer, die Gruppe wiederzufinden, da Laurin mit seinen 1,80m wie ein Turm aus der Menge herausgestochen ist.

Nach dem Konzert nutzen wir den Jacuzzi unseres sehr idyllischen Hostels aus und trinken den Guatemaltekischen Rum, der dem nicaraguanischen Flor de Caña in nichts nachsteht.

Recto, Recto, immer der Nase nach
Unsere Rückfahrt wurde dann auch noch recht abenteuerlich. Im Glauben eine Abkürzung zu nehmen, haben wir uns völlig verfahren und sind durch eine schöne Berglandschaft gegurkt. Auf einsamen Bergstraßen zu fahren, ohne genau zu wissen, ob man richtig liegt ist nicht gerade ungefährlich in Guatemala. Auf unsere Frage wo es denn nach Guatemala City geht, haben uns die Einheimischen immer gerade aus geschickt „recto, recto“, also sind wir gefahren und gefahren, bis irgendwann die Straße aus war.
Der Fluss hat sie wohl vor einiger Zeit einfach weggespült. Zwar war die Strömung des Flusses nun relativ klein, aber da wir mit einem Stadtauto und nicht mit einem 4WD unterwegs waren, mussten wir erstmal erkunden wie tief er wirklich ist. Keiner von uns wollte hier im Outback von Guatemala die Nacht verbringen.
Im Endeffekt ist Julians Volvo ohne Große Probleme durchgefahren, während wir das Wasser zu Fuß überquert haben, dennoch ist es dann noch ziemlich spät geworden bis wir endlich wieder auf der Hauptstraße Richtung Stadt waren. Dort sind wir dann auch noch mitten im Heimreisestau gelandet. Zum Glück haben wir uns die Zeit mit Ratespielen und viel Lachen vertrieben.
Schon alle sehr hungrig und weil es sowieso schon dunkel war, sind wir dann noch in ein kleines Dorf abgezweigt um leckere Porpusas (Maisgebäck mit Käsefüllung) zu essen und Atol (Maisgetränk) zu trinken. Irgendwann waren wir dann endlich daheim. Gut is’ gangen, nix is gschehn, außer natürlich, dass wir tolle Erinnerungen an eine gute Zeit mit neuen Freunden gesammelt haben.

Cornerstone – eine unerwartete Entdeckung

Vor zwei Tagen habe ich eine Englisch-Sprachschule besucht, die einen starken Eindruck bei mir hinterlassen hat. Belgüis, ein Mädchen aus meinem Zumba Kurs, hat mich gefragt, ob ich ihre Englisch Klasse besuchen könnte. Da es ihr wirklich ein großes Anliegen war und ich Donnerstags erst um 10 Uhr mit meinem eigenen Englischunterricht beginne, hab ich die Gelegenheit genutzt und bin mit Belgüis um halb 8 Uhr morgens zu ihrem English Institute gefahren.
Dort hatte ich ein kleines Grüppchen an Leuten erwartet, die mir, eventuell etwas schüchtern, ein paar Fragen stellen, aber als wir in den einfachen Räumlichkeiten von „Cornerstone“ ankamen, eine Viertel Stunde vor Unterrichtsbeginn, bin ich sofort von einer Gruppe junger Studierender umringt, die mich mit Fragen überhäufen – von Schüchternheit keine Spur. Ich muss zugeben, ich war überrascht wie gut die Jugendlichen Englisch sprechen, denn nur weil die Leute Englischunterricht haben, bedeutet das nicht, dass sie Englisch können, bzw. sich trauen es zu sprechen.
Zwei Schülerinnen erzählen mir in sehr gutem English, dass sie erst seit zwei Monaten bei Cornerstone sind. Viele haben davor schon eine Sprachschule besucht, viel Geld ausgegeben und keinen Erfolg gesehen, bis sie bei Cornerstone gelandet sind. Als ich nach dem Englischunterricht in der Schule frage, winken sie ab, da kann man gleich gar kein Englisch haben. Belgüis ist seit etwas mehr als einem Jahr dabei und wie die anderen, sehr begeistert von Cornerstone. Sie sagt, es habe sie auch persönlich stark verändert. Sobald der Unterricht anfängt erfahre ich Stück für Stück wieso.
Wir wechseln den Raum in den ein etwas übergewichtiger, älterer Herr in einem Sofa mehr liegt als sitzt. Ich nehme neben ihm auf einen Stuhl Platz und in der Raum füllt sich auf mit bis zu 40 Studierenden, vielleicht auch mehr.
Der dicke Mann ist René Acuña, der Gründer von Cornerstone. Nach einer kurzen Präsentation meinerseits dürfen mir die Studierenden Fragen stellen und überschlagen sich fast dabei. Zack sind 30 Hände oben. Neben den üblichen Fragen (wie mir Nicaragua gefällt, wo ich schon war und was ich hier mache bzw. warum) wollen sie auch wissen was ich von Produkten, die aus recycelten Materialien gemacht wurden, halte, was Demut für mich bedeutet, was ich glaube, was die Stärken und Schwächen Nicaraguas sind und ich bin mir sicher, die Fragen wären noch einiges philosophischer und politischer geworden, wäre Señor Acuña nicht darauf erpicht gewesen mir seine Methoden zu präsentieren.
Er fordert die Schüler und Schülerinnen auf sich von ihren Sesseln zu erheben, raunt mir zu: „Pass auf, so etwas hast du wahrscheinlich noch nie gesehen“. Dann gibt er Konjugierungs-Kommandos und die Studierenden antworten im Chor.

Acuña: „They were happy.“
SchülerInnen im Chor: „Were they happy, they were not happy, were they not happy, they weren’t happy, were they happy, yes, they were, no they were not, no they weren’t”.

Und so geht es weiter im perfekten Stakkato. Er hat recht, so etwas habe ich noch nie gesehen. Das ganze mutet etwas militärisch und sektenartig an und ich beginne mich zu fragen, wo ich hier gelandet bin. Trotzdem setzte ich ein Gesicht auf, das (hoffentlich) eine Mischung aus überraschter Anerkennung zeigt und lächle höflich. Aber gut, skurriler kann es ja nicht werden, oder?

Skurril wirkt
Doch es kann. Nun werde ich gefragt, ob und welche Musik ich mag. Immer Schwierigkeiten mit solchen Fragen, sag ich einfach einmal Alternative Indie Rock. Alle Augen richten sich auf einen Schüler, der wohl als der größte Indie Fan unter allen gilt und der Bursche wird aufgefordert mir doch ein Lied vorzusingen. Und jetzt kommt’s: Er tut es tatsächlich. Geht einfach nach vorne und singt mir ein Lied von den Arctic Monkeys vor.

Wow. Der junge Lehrer der Klasse (das Institut bildet seine Schüler teilweise auch zu Lehrern aus) erklärt mir, dass sie Musik sehr intensiv nutzen um Englisch zu lernen, das leuchtet mir ein. Aber der mutige Arctic Monkeys Fan wird nicht der einzige bleiben, mehrere Schüler und Schülerinnen kommen zu mir nach vorne und singen mir ein Lied vor, während sie dabei auch ständig meinen Augenkontakt suchen – was mich besonders bei romantischen Liedern sehr in Verlegenheit bringt. Trotzdem bin ich schwer beeindruckt.
Die meisten können zwar nicht wirklich gut singen, manche sind auch nicht ganz textfest, aber sie trauen sich vor ihren KollegInnen, ihren LehrerInnen, dem Chef des Institutes und eines ausländischen Gastes ihre Lieblingslieder vorzutragen, und das mit stolz.

Dann plötzlich stehen ein paar Prüfungen an, vier aus dem ersten Level fühlen sich bereit ins nächste aufzusteigen. Es ist eine mündliche Prüfung und Fragen dürfen alle Anwesenden stellen, so haben die Studierenden auch Einfluss darauf, ob jemand aufsteigt oder nicht. Die Stimmung ist wohlwollend, die meisten Anwesenden waren schon in dieser Situation, aber trotzdem sind die armen Prüflinge extrem nervös. Vor so vielen Leuten zu stehen und sich ihren Fragen zu stellen in einer Fremdsprache, das ist echt hart. Ich wüsste nicht, ob ich das könnte.
Der Lehrer muss die Studierenden nicht lange auffordern, wirklich jede/r Studierende hat eine Frage parat. Die Studierenden stehen auf und bitten den Prüfling höflich aber bestimmt dieses oder jenes zu deklinieren oder zu erklären, warum er/sie sich bereit fühlt für den nächsten Level. Ein Mädchen besteht nicht, ein Schüler teilt ihr mit, dass er findet, sie braucht noch mehr Zeit. Eine andere Studentin muss ein Lied vortragen und besteht damit die Prüfung. Mut siegt.

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Dann auf einmal ruft Acuña: „Irina, watch this!“ und eine Studentin tanzt mir einen Lateinamerikanischen Tanz vor, mitten in der Klasse, einfach so. Dann fangen auch andere Studierende an mir etwas vorzutanzen. SchülerInnen aus anderen Klassen kommen dazu, angelockt von der Musik. Eine hübsche Studentin, die wahrscheinlich von der Atlantikküste stammt, tanzt den Palo de Mayo – den traditionellen und sehr sexy Tanz aus der Bluefieldsgegend. Ein schmächtiger, blasser Junge gesellt sich dazu. Keine Scheu! Diesmal komme ich nicht daran vorbei und werde auch aufgefordert mit dem Burschen und mit dem Lehrer zu tanzen. Die Klasse klatscht und johlt. Was für eine Überwindung für mich. Mit all den Hemmungen die ich habe, sollte ich vielleicht auch hier Englischunterricht nehmen!

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Ich kann nur noch staunen. Was ist das hier?
Mir wird erklärt, dass Cornerstone nicht nur reiner Englischunterricht ist, es geht um Persönlichkeitsbildung, Zivilcourage, Umweltbewusstsein, Selbstwert aber auch Spaß und um soziale Kontakte. Sie sehen die Chancen die in der englischen Sprache liegen, sie sehen die Probleme, die Nicaragua hat. Dieser Ort versteht sich als Ausgangspunkt für Nicas, die ihre Gesellschaft verändern möchten, die etwas erreichen wollen im Leben.
Und diese jungen Menschen haben vielleicht das Zeug dazu. Sie besitzen Charme, Selbstbewusstsein und Ehrgeiz, (nicht nur) Nicaragua kann solche Leute gut gebrauchen.
Ab und zu kommen sogar Botschafter vorbei, weil sie hier kompetente Leute finden, erzählt mir Belgüis.
Leider muss ich nach eineinhalb Stunden los, ich muss ja selber noch unterrichten. Mir wird noch die Hymne von Nicaragua vorgetragen und ausgiebig für meinen Besuch gedankt. Aber ich bin es, die dankbar ist. Ich hab mir eine simple Question & Answer Stunde erwartet, was ich bekommen habe, war nicht nur eine super Show, sondern auch eine Entdeckung.
Ich fühle mich sehr inspiriert von all den positiven, mutigen und offenen jungen Menschen.
Ich freue mich, einmal richtig viele junge, motivierte und gebildete Nicas zu treffen.

Daheim fange ich sofort an zu recherchieren. Viel finde ich nicht, nur einen Artikel über die Schule in La Prensa, einer nicaraguanischen Zeitung, und die Facebookseite von Cornerstone. 4,215 Likes hat seine FB Seite, in Foren durch die Bank positive Empfehlungen.Cornerstone gibt es nur in Nicaragua, dafür aber sieben Institute.
Ich habe angenommen, dass es sich um eine reine Eliteschule handelt, aber im Gegenteil, für 80 Stunden (zwei Monate) Unterricht zahlt man nur U$30, das inkludiert schon das Textbook, Verblisten, 2 CDS und die Aufnahme der Unterrichtseinheiten. Natürlich, meine Leute in Walter Ferrety könnten sich das nie im Leben leisten, aber für eine Sprachschule ist das wirklich günstig.

Gerne würde ich mehr über Cornerstone erfahren. Handelt es sich um ein revolutionäres Lernmodell, oder liegt der Erfolg einfach daran, dass die LehrerInnen Englisch sprechen können (was sie ja in den meisten Fällen hier nicht tun)? Señor Acuña scheint schon so etwas wie ein Guru zu sein. Er war mir ehrlich gesagt – im Gegensatz zu seinen SchülerInnen – nicht sonderlich sympathisch, aber seine Methoden wirken ganz offensichtlich. Die Leute sprechen nicht nur gut Englisch, sie sagen auch, Cornerstone habe ihr Leben verändert. Sie trauen sich mehr zu. Nachdem, was ich gesehen habe, glaube ich ihnen das sofort.

Hätte ich diese Schule früher entdeckt, wer weiß, vielleicht hätte ich mehr Freundschaften mit Nicas in meinem Alter schließen können. Schließlich bin ich die meiste Zeit von Kindern und älteren Menschen bzw. auch ein paar jungen Menschen mit allen möglichen Limitationen umgeben. Aber dieses aufgeschlagene Kapitel ist nur noch ein guter Grund wieder nach Nicaragua zu kommen.

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Jedes Dörfchen sein Festchen

Das hat sich schon am 4. Mai ereignet, aber die Fotos sind zu toll um sie euch vorzuenthalten. Bei einem Wochenend-Ausflug nach Jinotepe und an den Strand, sind Sonia und ich zufällig bei der Hinfahrt mitten in eine dörfliche Feierlichkeit gelandet. In Nicaragua hat jeder Ort seine eigenen (meist religiösen) Festivitäten und hier im Dorf La Cruz (was unter anderem auch lustig war, da Sonias Nachname de la Cruz ist) wurde gerade eben La Despedida de los Santos (die Verabschiedung der Heiligen) gefeiert. Eine Prozession mit mehreren Heiligenfiguren, darunter auch eine schwarze Madonna mit schwarzem Jesuskind und einer Musikkapelle, wurde angeführt von einem Trupp bunt verkleideter Tänzer. Von Männern in Frauenkostümen, Totenmasken, tanzenden Kühen und den berühmten Figuren des Güegüense Stücks (Teil des nicaraguanischen Folklores), wie der spanischen Gigantona, war alles vertreten.

Wir waren die einzigen anwesenden Chelas, aber die Leute haben sich sehr gefreut über unser Interesse, bereitwillig für meine Fotos posiert und auch uns eines der knallpinken Reisgetränke (natürlich im Plastiksackerl) geschenkt – eine Geste, die den schenkenden Glück bringen soll.

In Jinotepe haben wir dann nur mehr einen kleinen Spaziergang gemacht und sind nach einem Mittagessen gleich weiter zu unserem eigentlichen Ziel: Stand und Meer. Die Strände in der Region Carazo werden hauptsächlich von Nicas und SurferInnen besucht. Hotelkomplexe, All-inclusive Clubs und Partymeilen sucht man hier – zum Glück – vergeblich. Typisch Pazifik, waren die Wellen wild und hoch, perfekt für den Surf-Wettbewerb, der gerade stattfand. Richtiges schwimmen war zwar nicht möglich, aber einen Kampf gegen Wellen zu führen, mag zwar sinnlos sein, aber dafür sehr vergnüglich.

Zwischen Heimweh und Rückkehrangst

Die letzten Tage hat mich sehr starkes Heimweh geplagt. Mir fehlt mein Freund, meine Familie, meine Freunde, mein Rad und kaltes Wetter (ja, ich kann’s selber kaum glauben).

Obwohl ich nie wirklich allein war, hab ich mich einsam gefühlt und die altbekannte Melancholie, der ich doch eigentlich entfliehen wollte, hat mich immer wieder fest im Griff gehabt. Ich hab mich zwar mit einigen sehr schönen Ausflügen abgelenkt, aber immer wenn ich Zeit zum Denken hatte, kam dieses Gefühl zurück.

Gleichzeitig hat mich die Angst vorm zurückkehren beschäftigt. Meine Hass-Liebe zu Wien (wie kann ich diese Ois-gschissn-Haltung weiter ertragen, wo wir doch alle so verdammt dankbar sein sollten?). Meine Plänen von bevor ich wegging, erscheinen mir auf einmal absurd. Am 4. Juni werde ich in Wien ankommen und am 6. Juni eine Aufnahmeprüfung für eine zweijährige pädagogische Ausbildung haben. Aber jetzt ist (wieder einmal) alles anders.

Mag sein, dass meine Unterrichtserfahrungen mir gehörigen Respekt vor jeglicher pädagogischer Arbeit eingeflößt haben.

Die Bedingungen sind natürlich extrem, aber auch ohne die gnadenlose Hitze, den Mangel an so ziemlich allen (Strom, Arbeitsmaterialien, Autorität…) und unvorhersehbaren Ereignissen, wie sie fast täglich stattfanden, ist Unterrichten furchtbar anstrengend!

Manche Dinge funktionieren mittlerweile toll und dann bin ich wirklich sehr, sehr zufrieden, aber leider kann ich nicht immer nur „Head-Shoulders-Knees-and Toes“ mit den Kids singen.

Vom Kommen und Gehen

Gleichzeitig habe ich aber auch diese bedingungslose Liebe und Ehrlichkeit der Kinder sehr genossen. Es bricht mir das Herz, wenn ich ihnen nun ehrlich sagen muss, dass ich sehr wahrscheinlich höchstens auf einen Besuch wieder komme, aber nicht ihr English Teacher sein kann.

Immer wieder habe ich Angst die Leute zu enttäuschen, oder ihnen falsche Hoffnungen zu machen. Da kommt auf einmal so eine verrückte Chela, wirbelt alles auf und dann verschwindet sie einfach wieder…

Aber ich habe ja selber keine Ahnung wie es weitergeht.

Manchmal mache ich mir auch Sorgen, dass sie es negativ aufnehmen, dass ich bereits viel mehr von ihrem eigenen Land gesehen habe, als sie jemals sehen werden.

Gezeigt werden mir solche Gefühle nicht – im Gegenteil, sie interessieren sich für meine Reisen und freuen sich für mich. Aber die Nicas, die ich kenne, sind wohl in gewisser Weise auch einiges an Enttäuschungen und Entbehrungen gewohnt.

Vielleicht ist das aber auch nur meine Wahrnehmung von „Entbehrung“, weil ich selber immer wieder erstaunt bin, wie unterschiedlich doch mein Leben von dem ihrigen ist. Viele Nicas bemitleiden mich, weil ich (noch) keine Kinder habe und befürchten, ich würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen, eine richtige Familie zu gründen.

Heimweh wegtanzen

Mein Tief hing sicher auch damit zusammen, dass ich auch die unschöne, harte Seite des Lebens hier kennengelernt habe, von der ich gestern – nach langem Zögern – berichtet habe, und von denen ich die nächsten Tage hoffentlich mehr schreiben werde (es ist manchmal nicht leicht sich neben Unterrichten, Spanisch lernen, Reisen und Alltag die Zeit zu nehmen).

Nun habe ich noch ungefähr zwei Wochen hier und während ich mich schon sehr auf Österreich freue, wird mir gleichzeitig die Zeit zu knapp. Soviel gibt es noch zu sehen und zu tun!

Dieses Wochenende bin ich im Dschungel des Selva Negras gewandert, hab dem unheimlichen Grölen der Brüllaffen und dem technischen Sound der Grillen gelauscht, die angenehme Temperatur in der hübschen Stadt Matagalpa genossen, mit seiner schneeweißen Kathedrale im Zentrum, umrundet von grünen Hügeln, an deren Hängen sich kleine bunte Häuschen reihen.

Nur ungern bin ich ins noch immer elendig heiße Managua zurückgekehrt. Wann kommt denn endlich der Winter? Noch niemals habe ich mir so sehr Regen gewünscht!

Zum Glück habe ich die letzen Wochen etwas entdeckt, das mich bei Laune hält und von schweren Gedanken ablenkt: Tanzen. In einem Fitnesscenter, das Zumba und Latin American Rhythm um 2 Dollar die Stunde anbietet, versuche ich nun all meine Hemmungen regelrecht abzuschütteln.

Als einzige Chela dort, haben es sich einige der Mädls gleich zur Aufgabe gemacht, mich bei meinem Vorhaben meinen weißen Arsch wie eine Latina zum Wackeln zu bringen, zu unterstützen. Manche Bewegungen sind mir ganz ehrlich unerklärlich, aber tranquila! Das wird schon noch!

Matagalpa, Selva Negra y Cascada Blanca

Das Unbegreifliche

Eines Abends am Sonntag, eine Woche vor Semana Santa, diese unglaubliche Nachricht. Ich sitze gerade bei einem Bier vor dem Haus von Maria und unterhalte mich mit ein paar Leuten, da geht die Nachricht wie ein Lauffeuer im Viertel Walter Ferrety herum: Brendas Tochter wurde ermordet. Von ihrem Mann, Vater ihrer drei Kinder, ein Polizist.

Während ich noch gar nicht begriffen habe, springt Maria auf und läuft zum Haus von Esmeralda. Brenda selber ist nicht da, sie ist sofort nach Niquinohomo gefahren. Zu dem Ort in dem ihre Tochter gelebt hat. Esmeralda und Maria wissen was zu tun ist. Schnell wird alles zusammengepackt um ebenfalls nach Niquinohomo zu fahren, das ungefähr eineinhalb Stunden entfernt von Managua ist. Autos und Fahrer werden organisiert, schwarze Kleidung übergezogen und eine Garnitur zum wechseln. Die ganze Nacht werden sie Totenwache halten, trauern und beten. Ich soll auch mitkommen, aber ich sage schließlich ab, ich habe Angst vor dem was mich dort erwartet.

Erst nach und nach werden die Details klar: eine klassische Eifersuchtsgeschichte wie man sie immer wieder in der Zeitung liest. Brendas Tochter und ihr Mann lebten schon länger getrennt. Er wollte das nicht, hat lange versucht sie zu halten, versucht sie mit Geld zu erpressen und sie hat nachgegeben, auch wegen der Kinder. Doch dann wollte sie ein neues Leben anfangen, hat ihre Handynummer geändert, den Kontakt völlig abgebrochen. Er hat trotzdem gewusst, dass sie an diesem Tag ins öffentliche Schwimmbad geht. Er verfolgt sie, es kommt zu einem Streit, wütend stürmt er davon und kommt zurück um vier Schüsse auf die Frau, die er angeblich liebt, abzufeuern. Die Kinder sehen wie ihre Mutter stirbt. Später können auch alle anderen die Leiche der 34-Jährigen im Fernsehen sehen. Im Badeanzug, nicht einmal richtig zugedeckt.

Auch ihn sieht man im Fernsehen, wie er schreit und weint, während ihn Badegäste festhalten bis die Polizei kommt. Vier Kugeln für sie, doch als er die Waffe auf sich selber richtet, funktioniert sie nicht mehr.

Schon am nächsten Tag ist das Begräbnis. Es ist heiß in Nicaragua, Kühlräume gibt es nicht. Gemeinsam mit dem Amucobu-Team fahre ich nach Niquinohomo. Dort haben die Nachbarn in beeindruckender Windeseile alles für die Bewirtung der Gäste organisiert. Auf der Straße sind zwei Pagoden-Zelte aufgebaut und an die hundert Plastikstühle stehen bereit. In zwei enormen Pfannen wird ein Reisgericht zur Versorgung der Gäste gekocht. Gaseoas wie Cola und Fanta werden ausgeschenkt um den Durst der Wartenden zu stillen und kleine Packungen Salzkekse werden verteilt.

Im Haus ist die Tote in einem Sarg aufgebart. Ganz Niquinohomo kommt vorbei um zu kondolieren, viele bringen Blumen, manche riesige Gestecke – wieviel Geld das für diese Leute sein muss, frage ich mich. Brendas Tochter war Lehrerin und sehr beliebt. Auch ihre Schüler und Schülerinnen kommen. Viele Besucher machen ein Handy-Foto von der hübschen Frau, die wie eine Wachspuppe daliegt.

Brenda sitzt vor dem Sarg, ich sich gefallen, völlig verstört, gezeichnet vom Unbegreiflichen. Ihr Schmerz erfüllt den ganzen Raum. Sie kann weder trinken noch essen, kaum atmen. Dann lerne ich die Töchter des Mordopfers kennen, erst 14 und 8 Jahre alt, den Jüngsten sehe ich nicht. Alle drei werden sie psychologisch betreut. Die Kinder schwanken zwischen weggetretener Höflichkeit gegenüber den vielen Menschen, die gekommen sind und absoluter, verzweifelter Trauer.

Gemeinsam mit den anderen Gästen warte ich bis das Begräbnis beginnt. Die Erwachsenen erzählen den Kindern jedes kleinste Detail des Mordes. Einmal werde ich als Modell hergehalten um zu demonstrieren wo die Kugeln eingetreten und wieder ausgetreten sind und wo die eine Kugel stecken geblieben ist.

Es ist erdrückend heiß. Wir warten. Eine Zeit lang sitze ich bei Brenda, weiß nichts zu sagen. Sie erzählt mir wie hübsch ihre Tochter war. Dann schweift ihr Blick wieder ins Leere, immer wieder schüttelt sie den Kopf, als könne sie es noch nicht glauben.

Um drei Uhr beginnt der Beerdigungsumzug, der von einer Musikkappelle angeleitet wird. Die Masse formiert sich für den Aufbruch in die einen Fußmarsch von fünf Minuten entfernte Kirche. Brenda bricht zum ersten Mal zusammen. Nur mit Hilfe, schafft sie den Weg. Das letzte Stück wird sie getragen.

Wieder bin ich beeindruckt wie schnell, innerhalb nur weniger Stunden, die Leute es geschafft haben, einen richtig schönen Trauergottesdienst zu organisieren – mit einer Band und SängerInnen. In Österreich kann es schon einmal zwei Wochen dauern bis ein Begräbnis stattfindet.

Unzählig viele Menschen sind gekommen, alle haben ihre alltäglichen Arbeiten beiseite gelegt. Niquinohomo hat ungefähr 13.500 Einwohner und mir scheint, dass mindestens 1000 Leute am anschließenden Marsch zum Friedhof teilnahmen. Die Straße voller Menschen, bewegt sich der Begräbniszug noch langsamer als üblich fort.

Scheinbar endlos gehen wir, begleitet von der in Nicaragua typischen Begräbnismusik, durch die späte Nachmittagshitze. An den Seiten der Straßen stehen Menschen und sehen zu wie der Sarg von sechs Männern getragen wird. Ich verliere Brenda aus den Augen, die ohne Stütze nicht gehen kann. Immer wieder sehe und höre ich das Klagen der älteren Tochter und es zieht mir den Magen zusammen.

Kurz vor dem Friedhof wird das Begräbnis abgebrochen, weil sowohl Brenda als auch ihre Enkelkinder einen endgültigen Zusammenbruch erlitten haben. Die Menge löst sich auf und ich weiß bis heute nicht, wann das eigentliche Begraben stattgefunden hat.

Auf der Ladefläche eines Jeeps fahre ich zurück nach Managua ins Walter Ferrety.

Für Brenda und ihre Familie bleibt keine Zeit zu ruhen. Wenige Tage später ist schon die erste Gerichtsverhandlung mit dem Ehemann/Schwiegersohn/Vater/Mörder. Eine Frauenrechtsorganisation ist zur Unterstützung angetreten. Die Höchststrafe wird angestrebt. Seit 2012 wird der Mord von Männern an Frauen aus Eifersucht oder ähnlichen Motiven als eigenes Verbrechen registriert. Das Gesetz 779 definiert Femicide als die extremste Art von geschlechtsbezogener Gewalt, welche von einem Mann gegenüber einer Frau ausgeübt wird um sein Bedürfnis zu stillen, über diese Macht, Dominanz und Kontrolle auszuüben. Gleichzeitig bezieht dieses Gesetz auch alle anderen Formen der Gewalt gegenüber Frauen mit ein. Dennoch ist es nicht immer selbstverständlich, dass die Mörder eine hohe Strafe erhalten, erklären mir Fatima und Esmeralda.

Neun Tage nach dem Begräbnis, gibt es ein weiteres Zusammentreffen, bei dem der Toten gedacht wird. Eine wichtige Sache, bedenkt man wie schnell das Begräbnis stattfand.

36,5 Jahre Haft

Nach Semana Santa finden die letzten Gerichtsverhandlungen statt. Am Tag der Urteilsverkündung fahre ich mit den Amucobu-Leuten nach Masatepe zum Gericht – ein kleines, unscheinbares Gebäude. Davor hält die Frauenorganisation Plakate hoch um auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Im klitzekleinen Gerichtszahl drängen sich die Angehörigen und Journalisten. Viele filmen mit den Handys mit.

Die Richterin liest eine lange Liste an Paragraphen vor, doch die Hauptaussage ist: 36,5 Jahre Haft – die Höchstrafe. Mehr als 30 Jahre Gefängnis existieren zwar in Nicaragua nicht, aber die Symbolik ist klar: Keine Milde. Ein kleiner Erfolg.

Der Verurteilte erhebt keinen Einspruch, er wird durch die Zuschauermenge abgeführt. Fatima erzählt, im Gegensatz zu vielen anderen Männern, die den Frauen die Schuld an ihrer eigenen Ermordung geben, bereut er seine Tat.  Wäre er nicht berauscht gewesen, hätte er vielleicht anders gehandelt. Wäre er nicht in einer Machokultur aufgewachsen, in der Frauen oft wie Objekte behandelt werden, hätte er dann anders auf ihre Zurückweisung reagiert? Vielleicht hätte er nach dem Streit einfach das Weite gesucht. Hätte nicht seine Polizistenwaffe geholt und wäre zurückgekehrt um sein verletztes Ego mit vier Kugeln in ihren Körper zu entladen. So haben drei Kinder innerhalb von Sekunden beide Eltern verloren. Und Brenda hat eine Tochter verloren. Schon wieder. Es ist nicht der erste Verlust eines Kindes, den sie verkraften muss. Ihr Sohn ist durch einen Unfall ums Leben gekommen. 12 Jahre hat sie gebraucht um den Schmerz zu überwinden.

Ich weiß nicht ob Brenda diesen Schmerz diesmal besiegen kann. Sie ist eine starke Frau, sie muss stark sein für ihre drei Enkel, aber ich glaube nicht dass sie jemals wieder die Alte wird. Ich habe Brenda, die als Schuldirektorin mit ihren ungefähr 50 Jahren eigentlich eine Autorität ist, als liebenswerte, kokette Powerfrau kennengelernt, den Schalk in den Augen. Jetzt ist alle Freude, aller Mut gewichen. Immer wieder schüttelt sie den Kopf. Keine Lust mehr sich die Haare zu richten, die Nägel zu lackieren, zu essen.

Wir versuchen sie abzulenken, man redet, lacht, weint, trinkt Bier, aber am Abend kehrt Brenda in das Haus ihrer Tochter zurück, zu Geldsorgen und drei traumatisierten Waisen. Und das alles, weil ein Mann eine Frau als Besitz angesehen hat, dessen Verlust sein Ego nicht verkraftet hat. Manche Dinge kann man nicht begreifen.

 

 

Nicaragua: an Austrian perspective

This is the outcome of an interview my Lithuanian friend and blogger Eugenija made with me. Finally, I have something non-german speakers can read. Hope you’ll enjoy it! :)

Dorthin wo der Kaffee wächst

Kaffee – ein so alltägliches Produkt, so elementar; das Elixier der Frühaufsteher, Nachteulen und Workaholics ebenso wie der Lebemenschen, Künstler und Müßiggänger. Eigentlich ein durch und durch exotisches Produkt, ist er uns so vertraut wie der heimische Apfel. Doch während bei uns der gewöhnliche Kaffee schon so normal geworden ist, dass er künstlich durch PR-Tricks und steril-hässliche Nespresso Kapseln eine Aufwertung erhalten muss, ist er in vielen Teilen der Welt, meist in Ländern, wo die Kaffeebohnen wachsen, noch immer ein Luxusartikel, den sich die Mehrheitsbevölkerung nicht leisten kann.

Während in den Büros und Küchen der industrialisierten Metropolen dieser Welt also regelrechte Hightechmaschinen stehen, die Koffein in allen Stärken und Geschmäckern unseren kollektiven Individualismus gerecht-werdend zubereiten, können sich in Nicaragua die meisten Menschen nur ein billiges Nestlé Instantpulver („Presto“) leisten, dass die Idee von Kaffeegeschmack transportiert.

Dabei gehört Nicaragua zu den größten Kaffeeproduzenten weltweit, laut Wikipedia Platz 12, (ja ich bin zu faul um das selber zu recherchieren). Kaffee ist eine der Hauptexport-Waren Nicaraguas. Selbst der Fairtrade Kaffee, den ich in Österreich trinke als würde er als Alibi dienen, ist auch nur ein Symbol für eine verkehrte Welt.

Und wo kommt er her, der Kaffee? Bestimmt aus endlosen, tristen Plantagen in denen die Pflänzchen in Reih und Glied ihrer maschinellen Ernte harren.

Ein Ausflug zur kleinen Hacienda der Café Finca de San Isidro, die von Don Felipe, einen rüstigen 60-Jährigen geleitet wird, läst einen solcherlei Pessimismus vergessen. Stefan und ich machen uns mit einem Jeep vom kleinen Städtchen Ocotal aus, auf Richtung Berge. Über kurvige unasphaltierte Straßen geht es steil bergauf durch die saftig grüne Landschaft. Am Boden wachsen lila Blumen, auf den Bäumen knallorange Blüten, die aus dem grünen Wald herausleuchten, wie Warnwesten.

Idyllisch inmitten des Urwaldes an der Grenze zu Honduras liegt das urige Haus Don Felipes. Dort vermietet der Kaffeebauer ein kleines Kammerl mit Doppelbett für Gäste und freut sich sichtlich über Gesellschaft. Sprachbarrieren gibt es keine, irgendwie schaffen wir es uns über Kaffeeproduktion, Politik und den Segen der Familie (ein Lieblingsthema der Nicas, welche sich ständig besorgt über meine Kinderlosigkeit äußern) zu unterhalten.

Die Finca ist mehr als 100 Jahre alt und in der traditionellen nicaraguanischen Taquezal Bauweise errichtet (Holzrahmen werden mit Lehm aufgefüllt). Mindestens genauso lang wird hier in kleinen Mengen, aber dafür äußerst hochwertig, Kaffee angebaut.

Wenn alle Plantagen so aussehen (was sie wohl leider nicht tun), wie jene in den Bergen von Dipilto in der Region Nueva Segovia Nicaraguas, dann kann man ruhig behaupten: Der Kaffee kommt direkt aus dem Paradies!
Mit einem von Don Felipes acht Mitarbeitern (es gibt außerdem eine Köchin) machen wir eine Wanderung durch die Plantage, welche man auf den ersten Blick schwer erkennen würde. Mit einer Machete in der Hand und einer Tschick im Mund führt uns der schweigende Mann durch das Dickicht des Urwalds, einen verwachsenen, teilweise sumpfigen Pfad entlang, den steilen Hügel hinauf.

Die Finca San Isidro baut ihren Kaffee ökologisch nachhaltig an, das bedeutet zwar weniger Ertrag, dafür erhöht es die Qualität des Kaffees und die Biodiversität der Gegend. Für den Kaffee ist umso wilder und verwachsener umso besser, denn die Pflanzen brauchen den natürlichen Schatten der hohen Bäume.

Die Landschaft sieht so aus, als hätte ein Pflanzensamen-Sammler aus versehen seine gesamte Kollektion ausgestreut. Ein botanischer Garten trifft auf Palmenhaus trifft auf Blumengeschäft, trifft auf Obstgarten trifft auf Regenwald. Bananen- und Papayabäume wachsen wild neben riesigen Kapokbäumen, Eichen, Kiefern, Orchideen lachen von den Stämmen dicker Bäume, Lianen verdecken die Sicht, und vieles, vieles Grünes mehr, dessen Namen ich leider nicht kenne, nicht zu vergessen die moosbewachsenen Kaffeestauden, die ihre Bohnen wie Perlen tragen. Wenn sich ihre Schalen rot färben, werden sie per Hand gepflückt.

An der Spitze des Hügels, wird die Wiese einer wilden Alm ähnlich, mit vielen zierlichen Blumen. Wir überschreiten die ungesicherte Grenze zu Honduras, werfen einen Blick auf die Felder und Berge dieses so verrufenen Landes, spazieren dann weiter den Hügel hinab, zurück zur Hacienda, wo gerade die Sonne langsam hinter den Wäldern versinkt.

Don Felipe hat uns ein üppiges Abendessen mit Reis, Bohnen, Eierspeise, Platano-Chips, Tomaten, Nica-Käse und einer Sauerrahmsoße zubereitet. Kaffee gibt es natürlich auch.

Wenn die Sonne weg ist wird es sehr frisch da oben, und dunkel, wir kuscheln uns bald ins Bett.

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in den Humus

Am nächsten Tag machen wir noch vor dem Frühstück einen Spaziergang durch den Wald. Danach zeigt uns der Chef wie der Kaffee geschält, guter von schlechtem Kaffee getrennt, und die (bereits fermentierten) Bohnen gewaschen werden.

Don Felipe betreibt Nassaufbereitung. Sofort nach der Ernte werden die Bohnen mit der Hand und durch Schwemmen vorgereinigt und -sortiert. Dann wird die Fruchthaut der Bohnen durch eine Schälmaschine (Entpulper) entfernt und über Nacht in einem Plastiksack fermentiert. Danach kann der Schleim, der die Bohne überzieht, abgewaschen werden.

Steril ist hier gar nichts, großartig technologisiert auch nicht, der Entpulper wird dadurch in Gang gesetzt, dass ein Arbeiter die zwei Enden eines Stromkabels zusammenführt.

Das Geheimnis eines Kaffees erster Klasse sei das Wasser erklärt er uns. Viele große Plantagen haben Probleme mit Wassermangel, aber hier in Dipilto kommt klares Wasser direkt aus dem Berg. Das zum Waschen verwendete Wasser wird mehrmals gefiltert, bevor es der Erde wieder zurückgeführt wird, der Abfall wird zur Kompostierung genutzt, da der Humus wichtig zur Düngung des Bodens ist.

Nach der Schwemmung und Aussotierung werden die Bohnen zur Ersttrocknung auf Gittern ausgelegt und noch einmal werden Bohnen zweiter Klasse händisch aussortiert.

In Kaffee-Sorten niedrigerer Qualität würden diese Bohnen mitgemischt werden, aber die Finca San Isidro ist berühmt für höchste Qualität und ist schon mit mehreren Preisen (z.B. “La Taza de Excelencia”) ausgezeichnet worden.

Leider können wir seinen Kaffee nicht kaufen, denn nur ein kleiner Händler, mit dem Don Felipe zusammenarbeitet erhält die kostbare Roh-Ware. Im Moment gibt es auch noch keinen fertigen Kaffee, der muss erst zum Trocknen nach Ocotal gebracht werden, wo die Luftfeuchtigkeit sehr gering ist – perfekte Bedingungen also für diesen Schritt der Kaffeeproduktion.

Zum Glück hat Martina in Ocotal ein kleines, unscheinbares Geschäft entdeckt, das Kaffee in höchster Qualität verkauft – keine Selbstverständlichkeit, denn auch wenn die Bohnenqualität sehr hoch sein mag, ist die Art der Röstung mindestens genauso wichtig. Hier kommt eine kleine italienische Röstmaschine ins Spiel, über die der Kaffee-Verkäufer unseres Vertrauens verfügt. Und so hab ich das Privileg, immer wenn ich in Altermira bin, in der quasi „guten“ Gegend von Managua, ausgezeichneten nicaraguanischen Kaffee zu trinken.

Nur ungern trenne ich mich am späten Nachmittag von diesem schönen Ort in den Bergen Nueva Segovias. Gerne möchte ich verdrängen, dass Don Felipes Arbeiter auch nicht ausreichend bezahlt werden, wie er selber freimütig zugibt (allerdings die Regierung dafür verantwortlich macht). Vieles ist so verkehrt, Nicaragua ist da ganz bestimmt keine Ausnahme. Es gibt kein Paradies, das wäre wohl zu langweilig und wer weiß, ob wir dann überhaupt noch Kaffee benötigen würden.