Unsere zweite Baikal-Tour mit Georgi führt uns zum so genannten Weißen Felsen, von dem uns schon Oxana erzählt hat. In aller Frühe fahren wir mit dem Boot eine Stunde lang über den grauen Baikal See durch dichte Nebelschwaden zum Ausgangspunkt der Wanderung. Eine ältere, exaltierte Dame und eine Mutter mit zwei Kindern im Pflichtschulalter haben sich der Tour angeschlossen. Georgi hält eine Sicherheitseinweisung für den Aufstieg und versichert, er werde viele Pausen machen. Wir sind gespannt welch gefährliche Klettertour da auf uns zukommen mag, es scheint abenteuerlich zu werden.
Die „Wanderung“
Wie sich herausstellt, wären wir wohl in 15 Minuten oben gewesen, wären wir allein gewandert. Aber dank der vielen Pausen dauert es immerhin eine halbe Stunde. Für unsere russischen Mitwandernden ist der Aufstieg dennoch eine Herausforderung, für durchschnittliche Alpenregionsbewohnerinnen und -bewohner ist er nicht der Rede Wert.
Der Ausblick oben über den Baikal ist aber dennoch sehr schön und auch hier findet sich ein schamanischer Kraftort. Georgi hat uns vor dem Aufstieg geraten, einen Stein vom Strand mit dem Gewicht unserer Schuld mit nach oben zu nehmen und dann dort zu lassen. Somit sind auch unsere Sünden vergeben, wir sollten uns nicht beschweren.
Obwohl wir Georgi sehr sympathisch finden, beschließen wir trotzdem die zweite Wanderung, die wir mit ihm geplant hatten, abzusagen. Er ist enttäuscht, aber unsere Vorstellungen vom Wandern unterscheiden sich eindeutig von jenen der Russinnen und Russen. Auch wollen wir keine acht Stunden bis zu unserem nächsten Ausflugsziel fahren. Beim Planen unserer Reise hatten wir die Distanzen eindeutig unterschätzt.
Spaziergang mit Hund
An unserem letzten Tag in Sukhaya spazieren wir noch einmal durch das Dorf. Ein kleiner schwarz-weiß gescheckter Hund schließt sich uns wie selbstverständlich an. Überall glauben die Leute nun, der ungezogene Frechdachs gehöre uns. Auch als er die Hündin einer Spaziergängerin belästigt, als er auf einen Jungen freudig bellend zuläuft, als er einfach mit ins Souvenirgeschäft spaziert und es sich dort gemütlich macht und als er uns in eine kleine Kirche folgt. Aufgrund unserer begrenzten Russischkenntnisse, bleibt uns nichts anderes übrig, als einen schuldbewussten, entschuldigenden Eindruck zu machen.
Neugierig inspizieren wir gemeinsam mit „unserem“ Hund die Kirche, die innen noch gar nicht fertig gebaut ist. Wir wollen schon wieder hinausgehen, da kommt plötzlich ein älterer Herr und gibt uns ungefragt eine ausführliche Tour auf Russisch. Dass wir kaum etwas verstehen, verwundert den Mann zwar, aber er lässt sich davon nicht beirren. Aus Höflichkeit hören wir eine Weile zu und betrachten aufmerksam die Balken und die noch am Boden stehenden Ikonen-Bilder, während der erzählfreudige Herr darauf zeigt. Als sich die Gelegenheit ergibt, bedanken wir uns und machen uns aus dem Staub, während uns der Mann verwirrt nachsieht. Kurz darauf sehen wir eine kleine Gruppe von Leuten in die Kirche gehen. Offenbar hatte uns der Mann mit diesen Besucherinnen und Besuchern verwechselt.
Die komischen Touris
Nachdem wir einige Tage im Dorf verbracht haben, werden wir schon von Leuten so gegrüßt, als würden sie uns kennen. Wahrscheinlich hat sich schon herumgesprochen, dass wir die seltsamen nicht-russischen Touris sind. In unserer Unterkunft freunden wir uns mit den Kids der Familienurlauber an und sogar Elena, die schüchterne Gastwirtin, die zuvor per Post-its mit uns kommunizierte, geht uns nicht mehr aus dem Weg. Ganz zum Schluss klärt sich auch noch unsere Herkunft auf, über die in der Unterkunft gerätselt wurde (njet Amerikansky, Avstriyets). Der Gösser Vorrat im kleinen Dorfladen ist nun aufgebraucht. Zeit nach Ulan-Ude zu fahren.