Moskau ist der letzte Stopp unserer Russland-Reise, nicht ganz drei Tage haben wir, dann geht es zurück nach Wien. Nur die Müdigkeit und das volle Stadtbesichtigungs-Programm halten mich davon ab melancholisch zu werden.
Nachdem wir drei Wochen lang mit der transsibirischen Eisenbahn durch die Zeitzonen gereist sind und dabei insgesamt 9 Stunden „verloren“ haben, holen wir uns diese innerhalb eines Tages mit einem 8,5 stündigem Flug von Wladiwostok bis Moskau zurück. Wir hatten uns vorgenommen zu schlafen, um den Jetlag entgegen zu wirken, doch wir waren dann doch so vom Entertainment-Programm (endlich wieder Fernsehen nach drei Wochen) eingenommen, dass dafür keine Zeit war.
Restaurantempfehlung: Club Vysotsky
In Moskau wohnen wir bei Kostja, einem Arbeitskontakt und Freund von Michl. Mit einem Van holt uns der Riese mit dichtem Nackenhaar, Garfield Shirt und sanfter Stimme ab. Wir laden unsere Rucksäcke ein und trinken erst einmal einen Kaffee im Campusgelände des internationalen Unternehmens. Gemeinsam mit seiner Kollegin Elena, die im Kontrast zu Kostja wie eine kleine Manga-Elfe mit bunten Haaren aussieht, gehen wir dann gleich zum ersten Geheimtipp: Im Club Vysotsky (nach einem Komponisten benannt) gibt es köstliches, russisches Mittagessen zum Spottpreis.
Das zweistöckige Restaurant ist mit alten Bildern aus der Sowjetzeit behängt und strahlt auf einer großen Leinwand das Fernsehprogramm eines alten UdSSR Senders aus. Am Vorspeisenbuffet bedient man sich an deftigen Salaten, es gibt natürlich Suppe, Schwarztee holt man sich vom Samowar und das Hauptgericht und die Nachspeise werden einfach serviert. Macht umgerechnet 3 Euro für alles zusammen.
Der Moskau Sightseeing-Quickie
Konstantin und Elena geben uns Tipps für unsere erste Sightseeing Tour und setzen uns beim Zaryadye Park ab, bevor sie zurück ins Büro müssen. Wir starten somit unweit vom Kreml.
Das Zentrum Moskaus wurde 2017 in Vorbereitung auf die Fußball-WM 2018 ordentlich aufpoliert. Die Gebäude rund um den Kreml leuchten in kräftigen Farben, alles macht einen frischen, etwas zu aufgeräumten Eindruck. Ein angelegter Spazierweg führt durch den Zaryadye Park vorbei an modernen und historischen Gebäuden und die Begrünung ist nach den unterschiedlichen klimatischen Regionen Russlands – von Eiswüsten der Arktis bis zu den Subtropen der schwarzen Küste – gestaltet. Die 2017 eröffnete Fliegende Brücke, eine V-förmige Plattform, erhebt sich über den Fluss Moskva und bietet eine tolle Aussicht über die umliegende Architektur.
Wir spazieren bis zum Roten Platz, durch das Luxus Kaufhaus GUM und den Kremlmauern entlang bis zum Alexander Garten. Wir beobachten andere TouristInnen, die sich den unspektakulären Wechsel der Wachen ansehen, die neben dem Grab des Unbekannten Soldaten positioniert sind, staunen über die Gigantonomie der russischen Architektur und schrecken vor einem Besuch des Kremls zurück – die Warteschlangen davor sind schier unendlich! Nach fünf Stunden sammelt uns Kostja wieder ein.
Russische Gastfreundschaft
Wir fahren über eine Stunde mit dem Auto zu seinem Haus außerhalb Moskaus in der Stadt Dolgoprudny. Moskau hat ca. 15 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner, rechnet man jedoch das Umfeld dazu, mit all den Personen, die täglich, so wie Kostja, in die Metropole zur Arbeit pendeln, sind es geschätzte 40 Mio., erzählt er. Die lange Fahrt – meist mit Stau – jeden Tag zur Arbeit und zurück vertreibt sich Kostja etwa damit, dass er Maultrommel spielen gelernt hat.
Ziemlich erledigt kommen wir bei seinem schmalen, dreistöckigen Haus an. Kostjas Frau und Kinder sind in der Datscha, wir haben sturmfrei. Am Abend gibt es eine Grillerei mit Fisch, Fleisch, gegrilltem Gemüse und griechischem Salat. Nicht zu vergessen, russisches Craft Bier und Wodka. Wir unterhalten uns angeregt (Elena) bzw. vorsichtig (wir Gäste) über russische Politik bis nach und nach der Müdigeitseinbruch kommt. 22 Uhr fühlt sich wie 5 Uhr früh an.
Tag 2 – Viel zu sehen, viel zu gehen
Beachtliche 22.500 Schritte legen wir am zweiten Tag in Moskau innerhalb von sieben Stunden zurück. Als müssten wir das viele Sitzen in der Transsib wiedergutmachen. Wir starten mit der Arbat Flaniermeile, wo Straßenmusiker und -künstler aber vor allem TouristInnen sich tummeln, weiter geht’s durch eine hübsche Allee zur Christ-Erlöser-Kathedrale. Das beeindruckende Gebäude aus Mitte des 19. Jahrhundert wurde von den Sowjets komplett zerstört und erst im heutigen Russland komplett neu aufgebaut.
Für 400 Rubel kann die Aussichtsplattform der Kathedrale besucht werden, die einen tollen Rundumausblick über die Stadt bietet. Interessant ist auch der Aufstieg: Statt der üblich knarzig, engen Kirchenstiegen, wie sie in Europa üblich sind, hat man hier das Gefühl, die Stiegen eines gewöhnlichen Bürogebäudes zu benutzen.
Entlang der Moskva
Über eine breite Fußgängerbrücke spazieren wir weiter, vorbei an zahlreichen Hochzeitsgesellschaften, StraßenmusikerInnen und SchaustellerInnen, den Fluss entlang und biegen schließlich in den Skulpturen Park ab, wo natürlich zahlreiche Lenin Statuen, aber auch Marx und Co. nicht fehlen dürfen.
Es geht weiter Richtung Gorki Park, wo wir schon ziemlich erschöpft in ein Vietnamesisches Restaurant einkehren. Mit etwas mehr Zeit und Kraft, würde sich hier ein Museumsbesuch anbieten, wir steigen stattdessen in ein Touri-Boot für 700 Rubel, dass uns wieder zurück in die Nähe des Kremls bringt. Wir verstehen zwar kaum was die Stimme im Audioguide uns sagen will, da der Lautsprecher des Schiffes auf Russisch alles übertönt, aber wir sind froh über die Pause und genießen die neue Perspektive vom Fluss aus.
Ukrainische Küche in Moskau
Die Strapazen und Zeitverschiebungen und der latente Schlafmangel fordern nun endgültig seinen Tribut: bis zum Restaurant, wo wir Abendessen wollen, muss mich Stefan regelrecht Ziehen und Schieben. Das Taras Bluba hat uns Kostja empfohlen und wir bekommen tatsächlich, obwohl es touristisch und in zentraler Lage gelegen ist, sehr gute, preiswerte Hauskost – folkloristische Gesangs- und Tanzeinlage inklusive.
U-Bahn-Stationen wie Paläste
Danach gilt es die Müdigkeit weiter zu übertauchen, schließlich wollen wir noch ein paar der schönsten U-Bahn Stationen Moskaus sehen. Wir fahren erst zur modernsten Station „Vistavochnaya“ und dann zum „Ploschad Revolyutsii“ mit Statuen der Heldinnen und Helden der UDSSR (ArbeiterInnen, SportlerInnen, SchülerInnen, Soldaten – das Volk also).
An manchen Stellen sind die Statuen blank poliert, da die „Passashiry“ daran rubbeln, weil das Glück bringen soll. Wir beobachten, wie Aus- und Umsteigende im Vorbeigehen Knie, Schuhspitzen, Hundeschnauzen oder Hahnenfedern streicheln. Soldaten scheinen jedoch keine Glücksbringerfunktion zu haben.
Auch die schöne „Mayakovskaya“ Station steht auf unserer Liste – sie hat Mosaikbilder an der Decke mit typisch sowjetischen Motiven wie Flugzeug, Zeppelin, SportlerInnen oder einer Frau mit erhobener Faust und ist im Jugendstil gehalten.
Die Cocktailbar als Laufsteg
Von der Metro Station aus gehen wir zu Fuß in die stylische Bar „Noor“ (Tverskaya St., 23/12), wo ein Moscow Mule es schafft, in mir doch noch Lebensgeister zu erwecken. Mit ausgezeichneten Cocktails lassen wir unseren letzten gemeinsamen Abend ausklingen, denn Julia und Michl reisen einen Tag vor Stefan und mir ab. Wir schwelgen in Erinnerungen an diese einzigartige Reise und beobachten die Frauen, denen die Bar eindeutig als Laufsteg dient. Eine schöner als die andere, kann man von ihren männlichen Begleitern das Gegenteil behaupten.
Tag 3 – Sowjet Nostalgie
Stefan und ich verbringen unseren letzten Tag mit noch mehr Spaziergängen – Moskau ist groß, die Entscheidung, was wir ansehen sollen, fällt schwer. Wir flanieren die Tverskaja Straße Richtung Bolschoi Theater, in dessen Umfeld viele beeindruckende Protzbauten stehen, sowie das Karl Marx Denkmal.
Nostalgie pur: das Spielautomaten Museum
Stefan will ins Spielautomatenmuseum (Kuznetsky most st., 12) und ich lasse mich zum Glück überreden, denn es ist tatsächlich sehr unterhaltsam. Das Museum hat eine einzigartige Sammlung alter sowjetischer Spielautomaten – das sieht nicht nur sehr kultig aus, man darf auch mit allen spielen (wobei allerdings nicht jede Maschine immer tadellos funktioniert). Wir bekommen mit unserem Eintrittsticket für 450 Rubel 15 Jetons und legen los.
Die meisten Automaten wurden in den 70er Jahren von amerkanischen oder japanischen Modellen kopiert, aber auch einige sowjetische Eigenkreationen sind dabei. Spielautomaten-Liebhaber haben sie vor der Verschrottung gerettet und kümmern sich um die aufwändige Instandhaltung der alten Automaten.
Wir probieren alles aus: Schieß-, Geschicklichkeits- und Kraftspiele. Ein Spiel hat es uns besonders angetan: Es basiert auf einem alten russischen Volkssport namens Gorodki und erinnert uns an unser geliebtes Mölkky.
Nachdem wir unsere Chips aufgebraucht haben, geben wir eine Tripadvisor Bewertung ab und bekommen nochmal Spielmünzen. So vergeht unser letzter Tag in Russland wie im Flug und ehe wir es uns versehen, sind wir schon wieder zurück in Wien. Voller einzigartiger Erinnerungen und dem eindeutigen Wunsch wiederzukommen. Das nächste Mal machen wir dann die Transmongolische Route!