Eigentlich gehört die ehemalige Hauptstadt zu Zeiten der Zarinnen und Zaren nicht zur klassischen Transsib-Route, aber wer die Möglichkeit hat, sollte sich St. Petersburg nicht entgehen lassen. Prunkvolle Gebäude, Cocktailbars, die genauso gut in London oder New York stehen könnten, die flexiblen Brücken, die sich ab 1 Uhr nachts für den Schiffsverkehr öffnen, aber vor allem die Kunstsammlung der Eremitage, machen einen Besuch lohnenswert.
Eremitage – Das Highlight von St. Petersburg
Wir haben leider nur zwei Tage Zeit und müssen Abstriche machen, aber der Besuch der größten Kunstsammlung der Welt ist für mich nicht verhandelbar. Damit uns die unfassbare Masse an Exponaten nicht überfordert und wir die langen Schlangen vor den Kassen der Eremitage umgehen können, haben wir noch in Österreich online eine Tour gebucht. Tatjana, eine kleine, runde Frau die bestimmt schon auf die 80 zugeht, mit weißen Söckchen in den Sandalen und schwerer Tasche lotst uns zielstrebig an den wartenden Massen vorbei. Sie kennt sich in den 350 Sälen bestens aus und spricht perfekt Deutsch mit russischem Akzent.
Tatjana erzählt uns leidenschaftlich von den Liebschaften und Intrigen der Zaren. Sie zeigt uns ihre Lieblingsschätze wie das Malachitzimmer (dem grünen Gestein zu Ehren ist die Fassade des Winterpalastes in dem sich die Eremitage befindet auch grün gestrichen), der Thron des Zaren, Kunstwerke von Leonardo da Vinci, Rembrandt, Tizian, Francisco de Goya und Raffaello Santi, die Skulptur des kauernden Jungens von Michelangelo, der Junge mit dem Hund von Bartolome Esteban Murillo. Sehr beeindruckend ist auch die mechanische Pfauenuhr von James Cox, die noch immer funktioniert und einmal im Jahr in Bewegung gesetzt wird, was wir dank eines Videos bewundern können.
Die Eremitage im Winterpalast
15 Jahre Kunst non-stop
Später wird uns eine junge Studentin, die eine kostenlose Stadtführung anbietet, erzählen, dass man ca. 15 Jahre bräuchte, wenn man jedes der rund 3 Millionen Objekte der gesamten Sammlung sehen möchte. Vorausgesetzt man würde sich 8 Stunden täglich je eine Minute pro Objekt Zeit nehmen. In den 350 Sälen werden zum Glück „nur“ 65.000 Exponate gezeigt. Das wäre schon in rund 135 Tagen schaffbar.
Brunnen statt Bernstein
Am Nachmittag landen wir aufgrund eines Missverständnisses beim Peterhof, der Sommerresidenz der Zaren. Eigentlich wollten wir die Rekonstruktion des verschollenen Bernsteinzimmers sehen (das Original wurde von den Nazis gestohlen und ist seither verschwunden), aber das befindet sich im Großen Katherinenpalast, da hätten wir nach Carskoe Selo fahren müssen, wie wir leider erst am Palasteingang erfahren. Wir wollen keinen Eintritt für den Palast zahlen. In der Eremitage konnten wir uns schon genügend vom Prunk und der Pracht der Zarenbauten überzeugen.
Da wir nun aber schon mit dem Expressboot 45 Minuten hier her gefahren sind und zum Preis für die Fahrt (Hin- und Retour 1500 RUB für Erw., ca. 20 EUR) auch noch Eintritt für das Betreten der zugegeben sehr schönen Parkanlage (900 Rubel, ca. 12 EUR) gezahlt haben, flanieren wir wie Adelige durch das Areal mit Wasserspielen, Brunnen und eindrucksvollen Statuen und schauen den Leuten beim Baden im finnischen Meerbusen zu.
Nüchterne Russen
Auf der Bootsrückfahrt gönnen wir uns ein Bier und schauen die erste Halbzeit des Finales der Fußball-WM am Handydisplay, während wir misstrauisch von unseren Mitreisenden beäugt werden, denn Alkoholtrinken in der Öffentlichkeit ist in Russland äußerst verpönt, wie wir auch später auf der Reise noch feststellen. Im Gegensatz zu Österreich bekommt man hier nicht an jeder Straßenecke und in jedem gastronomischen Unternehmen Alkoholisches ausgeschenkt. Ob das erst seit der WM so ist, oder eine Maßnahme um das Alkoholproblem der russischen Bevölkerung in den Griff zu kriegen, finden wir nicht heraus.
WM Benefits: Farben für Prachtbauten
Klar ist, dass die Städte für die Austragungen der Fußball WM ordentlich herausgeputzt wurden – Renovierungen, neuer Anstrich, Gehwege. Angeblich bekamen Gastronomiepersonal und Sicherheitskräfte Lektionen im freundlichen Umgang mit Touristinnen und Touristen. Wir haben keine Vergleichswerte, aber die touristischen Zentren von St. Petersburg und Moskau sind bunt und strahlend und freundlich sind die Leute sowieso.
Wieder zurück in der Innenstadt kommen wir nicht in die Fan-Zone, die extra für die WM aufgebaut wurde: „Full“, sagt der Soldat vor der Absperrung und implizit: Keine Diskussion! So erleben wir die Niederlage der Kroaten gegen die Franzosen in einem typischen Tourilokal mit und damit ist dann auch das Kapitel Russland und WM abgeschlossen.
St. Petersburg: Hipster’s Paradise
Unsere Unterkunft liegt hinter der Kasaner Kathedrale, eine sehr zentrale Lage, vor allem wenn man die hipsten Bars und Restaurants testen möchte. Entlang der Dumskaya Ulitsa gibt es reichlich Auswahl. Am Abend essen wir zum Beispiel ausgezeichnetes Beef Stroganov im Zoom Café und trinken gefährlich gute Cocktails in der Borodabar. Im Mickey & Monkeys bestaunen wir die aufwändigen Kreationen und Skulpturen, die da als Getränke serviert werden, bleiben aber klassisch bei Magarita und Moskow Mule (der überall anders schmeckt, aber nie eine schlechte Wahl ist).
Gastronomisch hat St. Petersburg viel zu bieten, billig ist es aber nicht unbedingt. In dem traditionellen georgischen Lokal Mamalyga trinken Stefan und Michl das wohl teuerste Bier ihres Lebens (650 Rubel – so viel kostet ein Halbes nicht mal in Norwegen) – abgesehen davon ist aber zu sagen: Georgisches Essen ist eine absolute Empfehlung!
Auf nach Moskau!
Zwei Nächte in St. Petersburg sind eindeutig zu wenig, aber wir können es kaum erwarten endlich auf Schiene zu kommen. Bevor wir die klassische Transsib-Route starten, müssen wir erstmal nach Moskau. Mit dem Sapsan Hochgeschwindigkeitszug ist das bereits in vier Stunden möglich (mit normaler Zuggeschwindigkeit in ca. 9 Stunden).
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