Kaffee – ein so alltägliches Produkt, so elementar; das Elixier der Frühaufsteher, Nachteulen und Workaholics ebenso wie der Lebemenschen, Künstler und Müßiggänger. Eigentlich ein durch und durch exotisches Produkt, ist er uns so vertraut wie der heimische Apfel. Doch während bei uns der gewöhnliche Kaffee schon so normal geworden ist, dass er künstlich durch PR-Tricks und steril-hässliche Nespresso Kapseln eine Aufwertung erhalten muss, ist er in vielen Teilen der Welt, meist in Ländern, wo die Kaffeebohnen wachsen, noch immer ein Luxusartikel, den sich die Mehrheitsbevölkerung nicht leisten kann.
Während in den Büros und Küchen der industrialisierten Metropolen dieser Welt also regelrechte Hightechmaschinen stehen, die Koffein in allen Stärken und Geschmäckern unseren kollektiven Individualismus gerecht-werdend zubereiten, können sich in Nicaragua die meisten Menschen nur ein billiges Nestlé Instantpulver („Presto“) leisten, dass die Idee von Kaffeegeschmack transportiert.
Dabei gehört Nicaragua zu den größten Kaffeeproduzenten weltweit, laut Wikipedia Platz 12, (ja ich bin zu faul um das selber zu recherchieren). Kaffee ist eine der Hauptexport-Waren Nicaraguas. Selbst der Fairtrade Kaffee, den ich in Österreich trinke als würde er als Alibi dienen, ist auch nur ein Symbol für eine verkehrte Welt.
Und wo kommt er her, der Kaffee? Bestimmt aus endlosen, tristen Plantagen in denen die Pflänzchen in Reih und Glied ihrer maschinellen Ernte harren.
Ein Ausflug zur kleinen Hacienda der Café Finca de San Isidro, die von Don Felipe, einen rüstigen 60-Jährigen geleitet wird, läst einen solcherlei Pessimismus vergessen. Stefan und ich machen uns mit einem Jeep vom kleinen Städtchen Ocotal aus, auf Richtung Berge. Über kurvige unasphaltierte Straßen geht es steil bergauf durch die saftig grüne Landschaft. Am Boden wachsen lila Blumen, auf den Bäumen knallorange Blüten, die aus dem grünen Wald herausleuchten, wie Warnwesten.
Idyllisch inmitten des Urwaldes an der Grenze zu Honduras liegt das urige Haus Don Felipes. Dort vermietet der Kaffeebauer ein kleines Kammerl mit Doppelbett für Gäste und freut sich sichtlich über Gesellschaft. Sprachbarrieren gibt es keine, irgendwie schaffen wir es uns über Kaffeeproduktion, Politik und den Segen der Familie (ein Lieblingsthema der Nicas, welche sich ständig besorgt über meine Kinderlosigkeit äußern) zu unterhalten.
Die Finca ist mehr als 100 Jahre alt und in der traditionellen nicaraguanischen Taquezal Bauweise errichtet (Holzrahmen werden mit Lehm aufgefüllt). Mindestens genauso lang wird hier in kleinen Mengen, aber dafür äußerst hochwertig, Kaffee angebaut.
Wenn alle Plantagen so aussehen (was sie wohl leider nicht tun), wie jene in den Bergen von Dipilto in der Region Nueva Segovia Nicaraguas, dann kann man ruhig behaupten: Der Kaffee kommt direkt aus dem Paradies!
Mit einem von Don Felipes acht Mitarbeitern (es gibt außerdem eine Köchin) machen wir eine Wanderung durch die Plantage, welche man auf den ersten Blick schwer erkennen würde. Mit einer Machete in der Hand und einer Tschick im Mund führt uns der schweigende Mann durch das Dickicht des Urwalds, einen verwachsenen, teilweise sumpfigen Pfad entlang, den steilen Hügel hinauf.
Die Finca San Isidro baut ihren Kaffee ökologisch nachhaltig an, das bedeutet zwar weniger Ertrag, dafür erhöht es die Qualität des Kaffees und die Biodiversität der Gegend. Für den Kaffee ist umso wilder und verwachsener umso besser, denn die Pflanzen brauchen den natürlichen Schatten der hohen Bäume.
Die Landschaft sieht so aus, als hätte ein Pflanzensamen-Sammler aus versehen seine gesamte Kollektion ausgestreut. Ein botanischer Garten trifft auf Palmenhaus trifft auf Blumengeschäft, trifft auf Obstgarten trifft auf Regenwald. Bananen- und Papayabäume wachsen wild neben riesigen Kapokbäumen, Eichen, Kiefern, Orchideen lachen von den Stämmen dicker Bäume, Lianen verdecken die Sicht, und vieles, vieles Grünes mehr, dessen Namen ich leider nicht kenne, nicht zu vergessen die moosbewachsenen Kaffeestauden, die ihre Bohnen wie Perlen tragen. Wenn sich ihre Schalen rot färben, werden sie per Hand gepflückt.
An der Spitze des Hügels, wird die Wiese einer wilden Alm ähnlich, mit vielen zierlichen Blumen. Wir überschreiten die ungesicherte Grenze zu Honduras, werfen einen Blick auf die Felder und Berge dieses so verrufenen Landes, spazieren dann weiter den Hügel hinab, zurück zur Hacienda, wo gerade die Sonne langsam hinter den Wäldern versinkt.
Don Felipe hat uns ein üppiges Abendessen mit Reis, Bohnen, Eierspeise, Platano-Chips, Tomaten, Nica-Käse und einer Sauerrahmsoße zubereitet. Kaffee gibt es natürlich auch.
Wenn die Sonne weg ist wird es sehr frisch da oben, und dunkel, wir kuscheln uns bald ins Bett.
Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in den Humus
Am nächsten Tag machen wir noch vor dem Frühstück einen Spaziergang durch den Wald. Danach zeigt uns der Chef wie der Kaffee geschält, guter von schlechtem Kaffee getrennt, und die (bereits fermentierten) Bohnen gewaschen werden.
Don Felipe betreibt Nassaufbereitung. Sofort nach der Ernte werden die Bohnen mit der Hand und durch Schwemmen vorgereinigt und -sortiert. Dann wird die Fruchthaut der Bohnen durch eine Schälmaschine (Entpulper) entfernt und über Nacht in einem Plastiksack fermentiert. Danach kann der Schleim, der die Bohne überzieht, abgewaschen werden.
Steril ist hier gar nichts, großartig technologisiert auch nicht, der Entpulper wird dadurch in Gang gesetzt, dass ein Arbeiter die zwei Enden eines Stromkabels zusammenführt.
Das Geheimnis eines Kaffees erster Klasse sei das Wasser erklärt er uns. Viele große Plantagen haben Probleme mit Wassermangel, aber hier in Dipilto kommt klares Wasser direkt aus dem Berg. Das zum Waschen verwendete Wasser wird mehrmals gefiltert, bevor es der Erde wieder zurückgeführt wird, der Abfall wird zur Kompostierung genutzt, da der Humus wichtig zur Düngung des Bodens ist.
Nach der Schwemmung und Aussotierung werden die Bohnen zur Ersttrocknung auf Gittern ausgelegt und noch einmal werden Bohnen zweiter Klasse händisch aussortiert.
In Kaffee-Sorten niedrigerer Qualität würden diese Bohnen mitgemischt werden, aber die Finca San Isidro ist berühmt für höchste Qualität und ist schon mit mehreren Preisen (z.B. “La Taza de Excelencia”) ausgezeichnet worden.
Leider können wir seinen Kaffee nicht kaufen, denn nur ein kleiner Händler, mit dem Don Felipe zusammenarbeitet erhält die kostbare Roh-Ware. Im Moment gibt es auch noch keinen fertigen Kaffee, der muss erst zum Trocknen nach Ocotal gebracht werden, wo die Luftfeuchtigkeit sehr gering ist – perfekte Bedingungen also für diesen Schritt der Kaffeeproduktion.
Zum Glück hat Martina in Ocotal ein kleines, unscheinbares Geschäft entdeckt, das Kaffee in höchster Qualität verkauft – keine Selbstverständlichkeit, denn auch wenn die Bohnenqualität sehr hoch sein mag, ist die Art der Röstung mindestens genauso wichtig. Hier kommt eine kleine italienische Röstmaschine ins Spiel, über die der Kaffee-Verkäufer unseres Vertrauens verfügt. Und so hab ich das Privileg, immer wenn ich in Altermira bin, in der quasi „guten“ Gegend von Managua, ausgezeichneten nicaraguanischen Kaffee zu trinken.
Nur ungern trenne ich mich am späten Nachmittag von diesem schönen Ort in den Bergen Nueva Segovias. Gerne möchte ich verdrängen, dass Don Felipes Arbeiter auch nicht ausreichend bezahlt werden, wie er selber freimütig zugibt (allerdings die Regierung dafür verantwortlich macht). Vieles ist so verkehrt, Nicaragua ist da ganz bestimmt keine Ausnahme. Es gibt kein Paradies, das wäre wohl zu langweilig und wer weiß, ob wir dann überhaupt noch Kaffee benötigen würden.
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