Challenge: Nicaragua, Escape
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Der Weg ist das Ziel, aber das Ziel ist auch nicht schlecht… Teil 1

Wenn man von der Hauptstadt Nicaraguas, Managua, in die Stadt Bluefields an der Atlantikküste möchte, kann man auch fliegen. Aber Flüge sind relativ teuer und wer wirklich verstehen möchte, wie die Menschen in einem Land leben, dem ist zu empfehlen, das billigste Transportmittel zu wählen: den Bus. Zum Beispiel kostet die Fahrt zu meiner Schule mit dem sogenannten „Chicken bus“ (da die Passagiere oft wie Hendl hineingepfercht sind) umgerechnet 30 Cent.

Wenn man also den Bus nimmt, kreuzt man Nicaragua von links nach rechts, allerdings nur bis zum Ort El Rama, ab dort wird die asphaltierte Straße von einem Flussweg abgelöst. Bis vor kurzem war der Rio Escondido („Versteckter Fluss“) die einzige Verbindung nach Bluefields. Mittlerweile gibt es eine Schotterstraße, die durch den dichten Dschungel führt. Auf dem Strom des Escondido fährt man mit kleinen, offenen Booten, Pangas, den kurvigen Fluss entlang bis er ins karibische Meer mündet und man an den Hafen Bluefields gelangt.

Meine fünf Reisegefährten (Stefan, Martina, Mesfin, Petra und Josef) und ich stehen um zwei Uhr morgens auf und fahren mit Taxis zum Busbahnhof, um den Chicken-Bus um 3 Uhr zu nehmen. Wir kommen extra etwas früher, um uns Sitzplätze zu sichern.

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Es gäbe auch einen späteren Überlandbus, der einen direkteren Weg gefahren wäre, aber die begehrten Tickets (die man erst einen Tag vor Abreise kaufen kann) waren sofort weg. So müssen wir die langsamere Variante nehmen, einmal umsteigen und folglich auch früher los, um rechtzeitig bei der Panga in El Rama zu sein.

Wir hoffen, dass wir während der Busfahrt etwas schlafen können. Doch diese Hoffnung wird jäh zerstört, als sich der Bus in Bewegung setzt und der Fahrer volle Lautstärke Technomucke aufdreht, die bald von christlichen Liedern, die wie Liebesschnulzen klingen, abgelöst werden. Vor, nach und während jedem Stopp lehnt sich der Schaffner des Buses aus der Tür und ruft im Stakkato „Ramaramarama“ und VerkäuferInnen strömen in den Bus und bieten ihre Waren an: Kochbananenchips, Säfte und Wasser in Plastiksäckchen, frisch aufgeschnittene Fruchtplatten, Tennisballgroße Kokoskugeln, Backwaren und Cashewnüsse. Martina warnt uns den Versuchungen zu widerstehen, schließlich sind wir acht Stunden unterwegs und eine Klopause ist nicht garantiert.       Auch während der Fahrt versucht ein junger Mann Geschäfte zu machen. Eine halbe Stunde preist er wie ein gelernter Fernsehverkäufer seine Waren an: Scheren und Messer bester Qualität, Kleiderbügel, praktische Löffel zum immer dabeihaben, Zuckerl gegen Husten in verschiedenen Geschmacksrichtungen und 1A Kugelschreiber. Stefan kauft ihm einen Kuli mit integriertem Kalender ab.

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    Wie sich herausstellt gibt es doch eine Pause in der unser Busfahrer und sein Assistent schnell ein Hähnchen verspeisen.

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Die in Zungen reden

In Juiagalpa müssen wir umsteigen, nur knapp erwischen wir unseren Anschluss nach El Rama. Der zweite Bus ist zwar bequemer, dafür versucht der Bus-Chauffeur leider seine Fahrgäste zu missionieren bzw. zu exorzieren: Eineinhalb Stunden hören wir in ohrenbetäubender Lautstärke die Lifeaufnahme des Gottesdienstes einer Pfingstkirche, der eine Mischung aus Teufelskult, Popkonzert und Hasspredigt ist. Die amerikanischen Pfingstbewegungen, evangelikale Sekten, die unterschiedlichste Ausformungen haben, erfreuen sich wachsender Beliebtheit in Nicaragua. Vor allem die Glaubensrichtung Assemblies of God ist populär. Ihre Predigt-Shows wirken besonders faszinierend auf die Menschen, die oft in Gegenden leben, wo es keine oder wenig kulturelle Unterhaltung wie Theater, Musikkonzerte oder Kino gibt. Der Prediger in der Aufnahme scheint dieser Richtung anzugehören.

Martina übersetzt für uns seine hysterische Rede. Er beschwört seine Gemeinde, dass nicht Gott, sondern der Teufel schuld daran ist, dass die Menschen arm sind und dass jene, die auf Gott vertrauen und der Kirche das Geld geben, am Ende mit Geld überhäuft werden. Er droht, dass es jenen, die sich von der Kirche abwenden, schlecht ergehen wird. Zwischendurch aber versteht selbst Martina, trotz ihres perfekten Spanischs, überhaupt nichts mehr und Mesfin erklärt ihr, dass der Prediger immer wieder „in Zungen spricht“, also einfach irgendetwas dahinbrabbelt, damit die Leute glauben, er wäre vom Heiligen Geist erfüllt. Mesfin kennt das von den Predigern in Äthiopien, die es genauso machen und er vermutet, dass die alle in die gleiche Schule gehen.

Es ist eine riesige, wilde Performance und die Leute in der Aufnahme klatschen und johlen. Ich versuche mich auf die schöne Landschaft zu konzentrieren, schließlich ist es mittlerweile hell geworden, aber es will mir bei dem extatischem Geschrei des Predigers nicht ganz gelingen.

Als die Aufnahme endlich zu Ende ist bittet der Assistent des Busfahrers um eine Spende für die Kirche. Nein danke, ich habe kein Interesse daran von Gott mit Geld überhäuft zu werden. Wenn er soviel davon hat, soll er es gefälligst besser verteilen.

In El Rama müssen wir auf den Seeweg wechseln. Da wir den Hafen nicht sofort sehen, drehen wir eine Ehrenrunde mit den Motorradtaxis („caponeras“), die sich spontan ein Wettrennen liefern. Der Fahrer lacht laut auf, als mir ein kleiner Angstschrei entfährt, als er einen steinigen Abhang hinunterprescht um „eine Abkürzung“ zu nehmen.

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    Die Busse in Lateinamerika sind meist ausrangierte amerikanische Schulbusse und werden von ihren Besitzern herrlich bunt verziert und geschmückt.

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Eine Bootsfahrt die ist ruppig…

Die 20-sitzige Panga fährt erst wenn alle Plätze voll sind, ein Problem das ich bisher noch nicht erlebt habe – eher wurden die Boote mit zwei, drei Passagieren mehr überladen. Im Gegensatz zu den Bussen, sind Pangas jeddoch nicht billig, denn sie brauchen sehr viel Sprit und umweltfreundlich sind sie natürlich auch nicht, aber ohne die kleinen Schnellboote kommt man nicht weit.
Wer sich eine gemütliche Bootsfahrt vorstellt liegt falsch – bequem ist es definitiv nicht – schon gar nicht, wenn es regnet und man mit einer Plastikplane abgedeckt wird. Dafür bekommt man ein sehr authentisches Reiseerlebnis und lernt nach einigen Fahrten auch, das vorne sitzen ruppiger ist, man hinten dafür nasser wird.

Im Boot bekommen wir Schwimmwesten und rüsten uns mit warmen Jacken und Schals aus, denn gleich wird der Fahrtwind ziemlich stark und kalt.

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Eineinhalb Stunden rasen wir über die Wasserstraße durch den Dschungel vorbei an den Mangrovenbaumwäldern, die eine wichtiger Teil des lokalen Ökosystems sind. Unsere Pässe haben wir wasserdicht verpackt, nur für den Fall, dass das Boot kentern sollte, weil der Fahrer eine Kurve zu scharf nimmt. Doch der Kapitän bringt uns sicher in die kreolische Hafenstadt, die nach dem holländischen Piraten Abraham Blauvelt (d.h. Bluefields) benannt wurde.
In 12 Stunden und mit fünf Transportmitteln haben wir eine Strecke von ca. 315km zurückgelegt und dabei nicht mehr als 20 Dollar pro Person ausgegeben.
Viel pausiert wird aber nicht, denn es gilt die Stadt und seine multi-ethnische und multi-linguale Bevölkerung zu entdecken.

Fortsetzung folgt…

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