Die letzten Tage hat mich sehr starkes Heimweh geplagt. Mir fehlt mein Freund, meine Familie, meine Freunde, mein Rad und kaltes Wetter (ja, ich kann’s selber kaum glauben).
Obwohl ich nie wirklich allein war, hab ich mich einsam gefühlt und die altbekannte Melancholie, der ich doch eigentlich entfliehen wollte, hat mich immer wieder fest im Griff gehabt. Ich hab mich zwar mit einigen sehr schönen Ausflügen abgelenkt, aber immer wenn ich Zeit zum Denken hatte, kam dieses Gefühl zurück.
Gleichzeitig hat mich die Angst vorm zurückkehren beschäftigt. Meine Hass-Liebe zu Wien (wie kann ich diese Ois-gschissn-Haltung weiter ertragen, wo wir doch alle so verdammt dankbar sein sollten?). Meine Plänen von bevor ich wegging, erscheinen mir auf einmal absurd. Am 4. Juni werde ich in Wien ankommen und am 6. Juni eine Aufnahmeprüfung für eine zweijährige pädagogische Ausbildung haben. Aber jetzt ist (wieder einmal) alles anders.
Mag sein, dass meine Unterrichtserfahrungen mir gehörigen Respekt vor jeglicher pädagogischer Arbeit eingeflößt haben.
Die Bedingungen sind natürlich extrem, aber auch ohne die gnadenlose Hitze, den Mangel an so ziemlich allen (Strom, Arbeitsmaterialien, Autorität…) und unvorhersehbaren Ereignissen, wie sie fast täglich stattfanden, ist Unterrichten furchtbar anstrengend!
Manche Dinge funktionieren mittlerweile toll und dann bin ich wirklich sehr, sehr zufrieden, aber leider kann ich nicht immer nur „Head-Shoulders-Knees-and Toes“ mit den Kids singen.
Vom Kommen und Gehen
Gleichzeitig habe ich aber auch diese bedingungslose Liebe und Ehrlichkeit der Kinder sehr genossen. Es bricht mir das Herz, wenn ich ihnen nun ehrlich sagen muss, dass ich sehr wahrscheinlich höchstens auf einen Besuch wieder komme, aber nicht ihr English Teacher sein kann.
Immer wieder habe ich Angst die Leute zu enttäuschen, oder ihnen falsche Hoffnungen zu machen. Da kommt auf einmal so eine verrückte Chela, wirbelt alles auf und dann verschwindet sie einfach wieder…
Aber ich habe ja selber keine Ahnung wie es weitergeht.
Manchmal mache ich mir auch Sorgen, dass sie es negativ aufnehmen, dass ich bereits viel mehr von ihrem eigenen Land gesehen habe, als sie jemals sehen werden.
Gezeigt werden mir solche Gefühle nicht – im Gegenteil, sie interessieren sich für meine Reisen und freuen sich für mich. Aber die Nicas, die ich kenne, sind wohl in gewisser Weise auch einiges an Enttäuschungen und Entbehrungen gewohnt.
Vielleicht ist das aber auch nur meine Wahrnehmung von „Entbehrung“, weil ich selber immer wieder erstaunt bin, wie unterschiedlich doch mein Leben von dem ihrigen ist. Viele Nicas bemitleiden mich, weil ich (noch) keine Kinder habe und befürchten, ich würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen, eine richtige Familie zu gründen.
Heimweh wegtanzen
Mein Tief hing sicher auch damit zusammen, dass ich auch die unschöne, harte Seite des Lebens hier kennengelernt habe, von der ich gestern – nach langem Zögern – berichtet habe, und von denen ich die nächsten Tage hoffentlich mehr schreiben werde (es ist manchmal nicht leicht sich neben Unterrichten, Spanisch lernen, Reisen und Alltag die Zeit zu nehmen).
Nun habe ich noch ungefähr zwei Wochen hier und während ich mich schon sehr auf Österreich freue, wird mir gleichzeitig die Zeit zu knapp. Soviel gibt es noch zu sehen und zu tun!
Dieses Wochenende bin ich im Dschungel des Selva Negras gewandert, hab dem unheimlichen Grölen der Brüllaffen und dem technischen Sound der Grillen gelauscht, die angenehme Temperatur in der hübschen Stadt Matagalpa genossen, mit seiner schneeweißen Kathedrale im Zentrum, umrundet von grünen Hügeln, an deren Hängen sich kleine bunte Häuschen reihen.
Nur ungern bin ich ins noch immer elendig heiße Managua zurückgekehrt. Wann kommt denn endlich der Winter? Noch niemals habe ich mir so sehr Regen gewünscht!
Zum Glück habe ich die letzen Wochen etwas entdeckt, das mich bei Laune hält und von schweren Gedanken ablenkt: Tanzen. In einem Fitnesscenter, das Zumba und Latin American Rhythm um 2 Dollar die Stunde anbietet, versuche ich nun all meine Hemmungen regelrecht abzuschütteln.
Als einzige Chela dort, haben es sich einige der Mädls gleich zur Aufgabe gemacht, mich bei meinem Vorhaben meinen weißen Arsch wie eine Latina zum Wackeln zu bringen, zu unterstützen. Manche Bewegungen sind mir ganz ehrlich unerklärlich, aber tranquila! Das wird schon noch!