Viele glauben ja, Rezeptionistin in einem Hostel zu sein, sei ein ziemlich lässiger Job. Das ist es auch, wären da nicht die Gäste…
Versteht mich nicht falsch, ich mag Menschen. Meistens. Aber wenn man längere Zeit in einem der größten und beliebtesten Hostels Wiens mit über 500 Betten arbeitet, kommt man mit sehr, sehr vielen (zu vielen) in Kontakt und – diplomatisch ausgedrückt: Nicht immer sind diese Begegnungen erfreulich.
Alle deppert, außer ich
Wenn man im Dienstleistungssektor und Service tätig ist, kann man schon manchmal misanthropische Gedanken entwickeln. Alles was man bisher über sich und andere zu wissen geglaubt hat, wird in Frage gestellt. Die eigene Offen- und Freundlichkeit, aber auch den Glauben an den Mensch als intelligentes Wesen.
So ist auch die Behauptung es gäbe keine dummen Fragen eine Lüge. Wer im Dienstleistungssektor arbeitet, weiß: Absolut jede Frage ist dumm, wenn man sie am Tag mindestens 15 Mal hört. Das ist unfair, aber nicht zu vermeiden.
Und dann gibt es natürlich Fragen, die sind IMMER dämlich, z.B.:
Nachdem man ausführlich erklärt hat, wie man von A nach B kommt indem man sechs U-Bahn Stationen fährt:
„Is it faster if we walk?“ (Ist es schneller, wenn wir zu Fuß gehen?)
Natürlich, Wien hat die U-Bahn nur für Leute mit zuviel Zeit gebaut, damit sie die dort verschwenden können. WTF?
Auch schön:
„The city centre, is it any good?“ (Das Stadtzentrum, ist das interessant?) – Nein, geh besser ins Industriezentrum.
oder:
„What can I do?“ (Was kann ich machen?) – Geht’s a bissl präziser?
Solche Gehirnaussetzer passieren jedem einmal, und gewöhnlich könnte ich mich darin wiederfinden und laut lachen. Das Problem ist: die vielen Individuen, mit ihren bestimmt berechtigten Anliegen, verschwimmen an stressigen Tagen zu einer großen nervigen Masse. Pausenlos will jemand etwas von dir und im Hintergrund strapazieren nicht funktionierende Arbeitsgeräte und die obligatorischen Problem-Gäste die Nerven.
Freundlich sein ist dann ein starke Herausforderung und manchmal fühlt man sich nach einem Dienst so ausgelaugt, dass das soziale Konto völlig aufgebraucht ist und man mit niemanden mehr kommunizieren möchte.
Es ginge ja auch anders
Das ist natürlich nicht die Schuld der Gäste, aber seit ich selber im Servicebereich arbeite, habe ich mehr Verständnis für launige SekretärInnen, KellnerInnen und gestresste KassiererInnen. Ein bisschen Geduld, ein freundliches Lächeln, öfter mal Mitdenken und sich vor-informieren, machen den Arbeitsalltag dieser Personen um vieles leichter.
Dennoch scheinen es manche Menschen darauf angelegt zu haben, sich bei ArbeiterInnen und Angestellten im Dienstleistungsbereich unbeliebt zu machen:
Die Top 10 der Unhöflichkeit
1. Vordrängeln
Manche Menschen glauben ihr Anliegen sei von besonderer Wichtigkeit, oder beanspruche ja nur ein paar Sekunden, oder sie haben einfach viel weniger Zeit als all die anderen in der Schlange.
Wie ein gehetztes Tier versuchen sie alle Angestellten und Wartenden immer im Blick zu haben um den richtigen Moment, die Sekunde, ja nicht zu verpassen, in der sie sich wie ein Wiesel vor alle anderen drängen können.
Du glaubst, du kommst so schneller dran?
2. Aufrichtiges Desinteresse am Gegenüber zeigen
Es mag eine kulturelle Eigenart sein, das macht es aber niemals höflich: Auch auf dreimaliges Begrüßen reagieren manche Gäste nicht, stattdessen suchen sie hektisch den Ausdruck ihrer Reservierungsbestätigung und strecken ihn dir kommentarlos entgegen.
Ein Klassiker: noch vor Beginn des Check-ins nach dem W-Lan fragen und von da an gebannt auf das Smartphone oder Tablet starren.
Und natürlich nicht fehlen darf in dieser Reihe: Augenkontakt vermeiden, in den Mantel reden, sich drücken und die Mitreisenden alles machen lassen, während man den Check-in aus sicherer Ferne beobachtet.
3. Körperliche Hygiene meiden
Dieser Punkt spricht für sich allein. Aber es muss einmal gesagt werden: Mit morgendlichen Mundgeruch das Personal in ein langes Gespräch zu verwickeln ist die fiesigste Fiesigkeit aller Fiesigkeiten!!
Auch immer wieder überhaupt nicht unangenehm: wenn wir Gäste freundlich darauf hinweisen müssen sich zu waschen, da sie eine Zumutung für ihre ZimmerkollegInnen sind.
4. Den persönlichen Bereich anderer Personen ignorieren
Das schönste an Rezeptionen ist die architektonische Barriere zwischen Gast und dir. Dennoch ignorieren manche Leute diese offensichtliche Grenze, lehnen sich giraffenartig (danke Yoga!!) so weit über die Theke, dass sie mitlesen können was auf deinem Bildschirm steht.
Oder sie grapschen sich schnell einen Kugelschreiber oder Stadtplan von deinem Arbeitsplatz. Es mag lächerlich erscheinen, aber du kannst jeden Rezeptionisten fragen: wir HASSEN es.
5. Hilflos sein
Manche Gäste hätten am liebsten man nähme sie an der Hand und mache eine persönliche Stadtführung mit ihnen. Meine KollegInnen und ich sind alle äußerst hilfsbereite Menschen, aber ein gewisses Maß an Selbstständigkeit darf man sich von Erwachsenen erwarten. Ich habe einmal einen blinden Gast kennengelernt, der selbstständiger war, also so mancher Durchschnittstourist.
6. Ungeduld zeigen
Ja, ich arbeite schneller wenn du demonstrativ auf den Tisch klopfst. NOT.
Ebenfalls in dieser Kategorie: Unterbrechungen! Man könnte meinen mit der Zeit hätte ich mein „Ich bin gerade hochkonzentriert bei der Arbeit“-Gesicht perfektioniert, aber manche Menschen scheinen gegen derlei Warnsignale Immun zu sein.
7. Schlechte Manieren
Eine andere traurige Erkenntnis: Die meisten Menschen sind einfach furchtbar schlecht erzogen. Grüßen, Bitte-Danke sagen, Müll nicht einfach liegen lassen, Klos hinter sich sauber halten etc. scheinen verschollene kulturelle Errungenschaften zu sein.
8. Mitdenken verweigern
Gut, in gewisser Weise ist dumm sein keine Unhöflichkeit, aber es nervt. Etwa wenn Gästen nach langen Erklärungen über unser Angebot, aufopfernder Bereitschaft allen ihren Wünschen entgegen zu kommen, Abschluss der Rechnung und Programmierung der Schlüssel plötzlich einfällt, dass sie eigentlich ein anderes Zimmer wollen, sie noch eine andere Reservierung haben oder doch lieber canceln möchten!!
Hausverstand ist noch so ein verlorenes Kulturgut. Ein Opfer der Technik vielleicht: Bestimmt 80% unserer Gäste warten vor der Tür des Gepäckraumes in der Hoffnung sie werde sich von allein öffnen, ohne andere Möglichkeiten überhaupt erst zu probieren.
Das Anbringen von Schildern wie „PUSH THE DOOR / Türe andrücken“ bringt in der Regel nichts, denn NIEMAND liest sie.
9. Sich für etwas Besseres halten
Ja, genau, welcome to Vienna!
10. Nicht zuhören
Sind die mühsamen fünf Minuten sozialer Interaktion die ein Registrierungsvorgang beinhaltet (Formalia ausfüllen, Zahlung, Erklärungen…) überstanden, suchen manche Gäste so schnell es geht das Weite, während die Erklärungen der Rezeptionistin im Vakuum der Lobby verhallen.
Besonders schön, wenn sie dann später wieder kommen und sich beschweren, weil sie nicht wissen wie das Schließfach funktioniert, woher sie Bettwäsche bekommen und all die anderen Sachen, die man gleich hätte klären können – aaargh!
Und so bin ich zu ihnen allen:
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